Mit Freuden begraben – DuMonts Digitale Kriminal-Bibliothek: Gervase-Fen-Serie (German Edition)
es zu Hause geübt.«
»Ah«, sagte Fen unverbindlich.
»Bei Sam handelt es sich natürlich um einen Dauerpatienten – er hält das nun schon seit fast zwei Jahren durch. Irgendwie schmeichelt es mir, aber ich frage mich, wieso er es nicht längst über hat.«
»Ich schätze«, sagte Fen, der sich dunkel an Romane erinnerte, in denen es um bäuerliche Lebensgemeinschaften ging, »dass ihm Zeit nicht viel bedeutet.«
»Was möchten Sie trinken, mein Lieber?«
»Einen Halben Bitter, bitte. Und Sie?«
»Oh, vielen Dank, Sir. Ich nehme einen Worthington, wenn ich darf.«
Fen machte es sich auf einem Barhocker bequem, und während sie tranken, berichtete er Myra von den Leuten, die er in Sanford Angelorum getroffen hatte.
Über Diana erfuhr er, dass sie eine Waise war – Tochter eines ehemaligen Landarztes, der beinahe mittellos verstorben war, weil er nie Rechnungen verschickt hatte –, dass die Einheimischen sie sehr mochten und dass sie angeblich in den jungen Lord Sanford verliebt war.
Vom jungen Lord Sanford erfuhr er, dass er im letzten Jahr seines Studiums in Oxford stand, dass er ein glühender Sozialist war, dass er nicht in Sanford Hall selbst, sondern im ehemaligen Witwensitz daneben wohnte, dass die Dorfbewohner mehr für ihn übrig hätten, wäre er nur kein hundertfünfzigprozentiger Demokrat, und dass er Diana heiraten würde oder auch nicht.
Über Sanford Hall erfuhr er, dass der junge Lord Sanford es dem Staat geschenkt und der Staat dort unverzüglich eine Irrenanstalt eingerichtet hatte, die vom Innenministerium verwaltet wurde.
Über Mr. Judd erfuhr er, dass er zurückgezogen lebte.
Über Myra erfuhr er, dass ihr Mann vor fünf Jahren gestorben war und sie gern in Kneipen arbeitete.
Über Mr. Beaver erfuhr er, dass er ein Mann war, der die Dinge mit großem anfänglichen Enthusiasmus und wenig Durchhaltevermögen anging.
Über Jane Persimmons erfuhr er, dass sie sehr still und zurückhaltend war, dass sie niemandem den Grund ihres Besuchs enthüllt hatte, dass Myra sie mochte und dass sie ganz bestimmt nicht wohlhabend war.
»Dann ist sie nicht von hier?«, fragte Fen.
»Nein, mein Lieber. Ebenso wenig wie der Mann – ich meine Crawley. Sind Sie ihm schon begegnet?«
Fen bejahte.
»Er ist ein komischer Kauz«, redete Myra weiter. »Kam vor drei Tagen an. Zieht jeden Tag allein los – manchmal sogar ohne Frühstück. Behauptet, er würde zum Angeln gehen, dabei kommt niemand zum Angeln her. Außer zwei oder drei Elritzen schwimmt im Spoor nichts herum. Jedenfalls ist klar, dass er vom Fischen keinen blassen Schimmer hat. Er ist sehr mysteriös, wirklich. Jacqueline hat ihm von Anfang an misstraut – nicht wahr, Jackie?«, fragte sie die blonde Serviererin.
Jacqueline, die geduldig Gläser polierte, nickte und schenkte ihnen ein strahlendes Lächeln. Um Mr. Judd beim nächsten Mal darüber informieren zu können, nahm Fen zur Kenntnis, dass sie ein schlichtes schwarzes Kleid trug, das am Halsausschnitt und an den Ärmeln weiß abgesetzt war, und dazu eine ziemlich hübsche, alte, mit Markasit besetzte Brosche.
Myra sah ihr mit großem Wohlwollen zu.
»Ist sie nicht allerliebst?«, fragte sie voller Besitzerstolz. »Von wegen ›dumme Blondine‹.«
Ohne Scheu strahlte die dumme Blondine sie abermals an, wie eine große Glühbirne, die sanft auf volle Kraft gefahren und dann ebenso sanft wieder abgedimmt wird.
»Und sie tut all das, was man gut gebauten Blondinen nie zutrauen würde«, sagte Myra. »Geht regelmäßig in die Kirche, kümmert sich um ihre alten Eltern in Sanford Morvel, raucht nicht, trinkt keinen Alkohol und geht so gut wie nie mit Männern aus. Aber natürlich wollen alle sie bloß anschauen – das heißt, fast«, verbesserte Myra sich der Korrektheit zuliebe.
Jacqueline lächelte zum dritten Mal ihr zauberhaftes Lächeln und fuhr friedlich damit fort, die Gläser zu polieren. Ein Gast kam herein, und Myra ließ Fen allein, um ihn zu bedienen. Alles war ruhig gewesen, als Fen zum Gasthof zurückgekommen war. Nun jedoch verriet ein leises Klopfen aus einem anderen Teil des Gebäudes, dass Mr. Beavers Pause, was immer sie verursacht haben mochte, vorbei war. Die Lautstärke des Klopfens schwoll schnell an, und bald gesellten sich, wie in einer Fuge, ähnliche Geräusche hinzu.
»Mein Gott«, sagte Myra. »Es geht wieder los.«
Fen hielt den Zeitpunkt für angemessen, um sich nach dem Grund für die Renovierungsarbeiten zu erkundigen.
»Mein Lieber, es ist
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