Mit Freuden begraben – DuMonts Digitale Kriminal-Bibliothek: Gervase-Fen-Serie (German Edition)
gefunden.«
Sie folgten seinem Blick. Ein dienstbeflissen aussehender junger Mann in Uniform kam mit einem Gegenstand, der auf einem Taschentuch in seiner Hand lag, auf sie zugelaufen.
»Hab’ ich unter einem Busch vor dem Fenster des Mädchens gefunden, Sir«, meldete er.
»Gut gemacht, Jimmy«, sagte Wolfe.
Alle besahen sich das Objekt, einen kleinen, leeren Glasflakon, der das Etikett eines allseits bekannten Pharmaunternehmens trug. Als sie genug geschaut hatten, sagte Wolfe: »Jimmy, überprüfen Sie es auf Fingerabdrücke.«
Der Sergeant salutierte und ging. »Insulin«, kommentierte Humbleby, offenbar verständnislos. »Ich kann nicht behaupten, dass ich viel darüber wüsste. Man verordnet es gegen Diabetes, nicht wahr?«
»Ich glaube schon.« Wolfe nickte. »Natürlich können wir nicht mit Bestimmtheit sagen, dass der Flakon etwas mit dem Anschlag auf das Mädchen zu tun hat. In einem Krankenhaus ist es nur normal, wenn …«
»Ach, kommen Sie«, unterbrach Fen. »Ich denke, der Fall ist klar genug. Nach einer Überdosis Insulin tritt ein hypoglykämisches Koma ein – welches sich äußerlich nicht von jenem mit dem Tod endenden Koma unterscheidet, das nach einer schweren Kopfverletzung eintritt.« Mit so etwas wie neuem Schwung setzte er sich auf. »Mein Gott, was für ein verdammt cleverer Plan! Das Mädchen wird Injektionen bekommen haben, deswegen wäre der Piekser in ihrem Arm niemandem aufgefallen. Und ihr Tod hätte wie die natürliche Folge des Unfalls ausgesehen. Vermutlich hätte es nicht einmal eine gerichtliche Untersuchung der Todesursache gegeben. Und selbst wenn eine Obduktion stattgefunden hätte, wäre niemand auf die Idee gekommen, ihren Blutzuckerspiegel zu überprüfen. Das Ding ist idiotensicher. Kein Arzt in diesem Land hätte gezögert, einen Totenschein auszustellen.«
»Gütiger Gott.« Humbleby war schockiert. »Und habe ich richtig verstanden, dass jeder sich dieses Insulin beschaffen kann?«
»Das haben Sie. Man braucht keinen Eintrag ins Giftbuch zu machen oder auch nur ein Rezept vorzulegen.«
»Und die benötigte Menge?«
Fen runzelte kurz die Stirn. »Mal sehen: Der Flakon hatte fünf Kubikzentimeter. Bei vierzig Einheiten pro Kubikzentimeter ergibt das zweihundert Einheiten. Wahrscheinlich würde das ausreichen, einen Menschen zu töten. Ich wage dennoch zu behaupten, dass er noch mehr von dem Zeug bei sich trug und eine zweite Injektion vorsah, nur um sicherzugehen … Verdammt!«, stieß Fen plötzlich hervor. »Vielleicht hatte er ihr die erste Dosis schon gespritzt, als die Krankenschwester dazukam. Warten Sie hier auf mich.« Er sprang auf und rannte ins Krankenhaus.
Zehn Minuten später kam er beruhigt zurück. »Alles in Ordnung«, sagte er. »Keine Anzeichen von Komplikationen. Es sieht sogar so aus, als erhole das Mädchen sich schnell. Sie erwarten, dass sie jeden Moment aufwacht … Und da gibt es einen interessanten Punkt. Wie ich hörte, rechnete man zunächst nicht mit ihrem Überleben?«
»So ist es«, bestätigte Wolfe. »Gestern am frühen Morgen trat jedoch eine Wendung zum Besseren ein – was vermutlich den Angriff gestern Nacht provozierte.«
»Aber wie viele Leute wussten denn, dass sie sich erholte?«
»Die halbe Ortschaft, vermute ich. Die Krankenschwestern tratschen gern – wer tut das nicht? – und es hat sich herumgesprochen, dass dieses Mädchen so etwas wie ein Geheimnis hat. Also interessieren die Leute sich für sie. Nein, ich habe schon darüber nachgedacht, ob sich hier möglicherweise eine Spur ergeben könnte, und natürlich werde ich tun, was ich kann. Aber für große Hoffnungen bin ich zu wenig Sanguiniker.«
Humblebys Blick ruhte auf Wolfes gut durchbluteten Wangen, und für einen Augenblick hatte es den Anschein, als wolle er einen Witz über diese letzte Bemerkung machen. Aber dann hatte er es sich wohl anders überlegt, denn er zog eine Schachtel Zigarillos aus der Tasche, zündete einen an und sagte nach einer Denkpause nur:
»Und, was nun? Für mich sieht es ganz danach aus, als könnten wir nur warten, bis das Mädchen in der Lage ist zu reden. Dann stellt sich heraus, ob wir von ihr etwas über den Grund des Anschlags erfahren können. Möglicherweise weiß sie etwas über den Mord an Bussy.«
»Nun, außer Warten bleibt uns sehr wenig zu tun übrig«, sagte Wolfe freimütig.
»Dann haben Sie also«, fragte Fen nach, »keine Fortschritte gemacht, was Bussy angeht?«
»Gar keine. Materielle Hinweise
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