Mit Freuden begraben – DuMonts Digitale Kriminal-Bibliothek: Gervase-Fen-Serie (German Edition)
Können folglich niemand Beachtung schenkt.
Darüber beunruhigte ihn in zunehmendem Maße die Befürchtung, er könne wirklich gewählt werden. Diese Möglichkeit hatte ihn bei seiner Ankunft in Sanford Angelorum nicht sonderlich eingeschüchtert. Aber nach einigen Tagen im Wahlkampf sah die Sache schon viel bedrohlicher aus. Sich auf Vollzeitbasis mit demokratischer Politik zu beschäftigen, das erkannte er jetzt, ist für einen menschlich eingestellten, zivilisierten Geist nicht einfach. Schon nach kurzer Zeit kommt einem die Galle hoch, und der Magen dreht sich um. Und die Aussicht, die nächsten fünf Jahre in Vorzimmern ein- und auszugehen, von Hinterbänken »Oh!« zu rufen, debattierend in Ausschüssen zu sitzen, mit verrückten Wählern zu korrespondieren und ohne jeden Protest das über sich ergehen zu lassen, was das Unterhaus unter Humor versteht – Fen begann, all das, was, wie Captain Watkyn es ausgedrückt hätte, die Zeit für ihn noch auf Lager hielt, unaussprechlich deprimierend zu finden. Er verfügte über genügend Geld; er hatte fast zehn Jahre lang in Oxford als Professor gelehrt; er hatte den Eindruck gehabt, dass berufliche Abwechslung ihm in der Seele gut tun würde. Und nun erkannte er zu spät, dass er sich geirrt hatte. Selbstverständlich hätte er seine Kandidatur zurückziehen können, und es gab Momente, in denen er ernsthaft darüber nachdachte; aber eine gewisse angeborene Widerspenstigkeit, kombiniert mit Neugier auf den Ausgang der Sache, hielt ihn bei der Stange. Und im schlimmsten Fall ließe sich der Kanzler vielleicht dazu bewegen, ihn mit einem Land der Krone zu belohnen, was ihn automatisch vom Parlament auschlösse.
Die Wahlen waren für Samstag angesetzt. Schon am Donnerstag war die Situation für die Parteien nicht mehr zu analysieren. Labour erwartete, im Vergleich zu den regulären Wahlen, Stimmen dazugewinnen zu können, war jedoch alles andere als siegessicher. Die Konservativen hätten allen Grund zur Freude gehabt, wäre da nicht Fen gewesen, dessen Wahlprogramm, soweit es überhaupt Konturen besaß, eher nach rechts tendierte denn nach links. Folglich erwartete man, dass eine gewisse Zahl konservativer Wähler umschwenken würden, eine Erwartung, die durch Strodes vergleichsweise blasse Persönlichkeit noch bestärkt wurde.
»Die Wahrheit ist, alter Junge, dass noch alles drin ist«, sagte Captain Watkyn, dem Fens schwindender Enthusiasmus noch gar nicht aufgefallen war. »Und Sie stehen gar nicht mal so schlecht da. Also, wenn wir bloß diesen verdammten Lautsprecherwagen wieder zum Laufen bringen könnten …«
Die erste Fahrt des Lautsprecherwagens hatte von Sanford Morvel bis nach Sanford Angelorum und noch ein kleines Stückchen weiter in Richtung eines kleinen Dorfes mit dem romantischen, aber unpassenden Namen Dawn geführt. Dann jedoch hatten ganz plötzlich und fast fünf Kilometer vom nächsten erreichbaren Telefon entfernt mehrere Teile gleichzeitig den Geist aufgegeben. Nun war das Auto zurück in der Werkstatt, wo ihm eine dem Rückfall angemessene Behandlung angedeihen sollte. Fen wäre entzückt gewesen, sich ganz von dem Ding zu trennen, aber für Captain Watkyn hatte sich die gesamte Wahlkampagne zu einer Art Zweikampf zwischen ihm und dem Lautsprecherwagen entwickelt, und er wies einen derartigen Vorschlag brüsk zurück. Wie er Fen zu verstehen gab, ging es hier um seine berufliche Ehre; um jeden Preis würde er den verdammten Wagen bis zum Wahltag wieder auf die Straße bringen. Fen versuchte einige Minuten lang halbherzig, ihn umzustimmen, musste aber schließlich nachgeben.
Noch unangenehmer als der Lautsprecherwagen war die Sache mit Mr. Judd. Mr. Judd lief politisch Amok. Seine frühere Zurückhaltung, als es darum ging, Fen aktiv zu unterstützen, war mit erschreckendem Tempo einem Übereifer gewichen, der sowohl Fen als auch Captain Watkyn ausgesprochen peinlich war. Mr. Judd bestand darauf, bei jeder Kundgebung den Vorsitz zu führen; sein Geschwafel nahm kein Ende; er verbrachte Stunden in der Leihbücherei von Sanford Morvel damit, ernsthaft Material für eine Anklageerhebung gegen das politische Partei ensystem zu sammeln, das er anschließend in eine Geschichtsphilosophie ausarbeiten wollte. Bei jeder Gelegenheit hielt er Fen und Captain Watkyn zu deren Konsternierung und Entsetzen Vorträge über Themen wie das Aufkommen des Whiggismus. Zunächst hatte Fen den Eindruck, all das sei Teil des Versuchs, bei Jacqueline Eindruck zu
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