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Mit freundlichen Küssen: Roman (German Edition)

Mit freundlichen Küssen: Roman (German Edition)

Titel: Mit freundlichen Küssen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jana Voosen
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GRUSS, SIMON, FREUNDE SEIN. WEIL DU MIR SCHON TOTAL EGAL BIST. NACH NUR FÜNF TAGEN. HA! LIEBER GRUSS, SIMON.
    PS: UND ICH HABE SCHON EINE NEUE, DIE ZEIT HAT, MIT MIR IN DEN SKIURLAUB ZU FAHREN.
    In diesem Moment höre ich eilige Schritte auf mich zukommen, und gleich darauf schließt Herr Dr. Dr. Otto, Vorstandsmitglied der Vereinsbank, zu mir auf. Er trägt einen tadellos sitzenden Designeranzug und eine grüne Krawatte. Für knapp sechzig ist er in beneidenswert guter Form. Ich frage mich, wie er in seiner Position noch die Zeit dazu findet, sich eine gepflegte Sonnenbräune zuzulegen. Im Gehen streckt er mir die Hand hin:
    »Guten Morgen, Frau Sonntag, da sind Sie ja.«
    »Jawohl«, antworte ich in unbeabsichtigt militärischem Tonfall und lege meine Hand in seine. »Guten Morgen, Herr Doktor Doktor Otto.«
    »Ach, nun hören Sie schon auf. Das müssen Sie nun wirklich nicht jedes Mal sagen«, wehrt er geschmeichelt ab.
    »Herr D Zwei O?«, schlage ich unschuldig lächelnd vor, und sein glatt rasiertes Kinn zittert vor unterdrücktem Lachen.
    »Den muss ich mir merken«, meint er schmunzelnd, während er mir die Tür zum Konferenzsaal aufhält. Innerlich atme ich erleichtert auf und betrete festen Schrittes den Raum. Ich lasse meinen Blick über die Anwesenden gleiten, die sich bereits an dem ovalen Mahagonitisch niedergelassen haben. Jeder hat eine Tasse Kaffee vor und eine schwarz glänzende Aktentasche neben sich. Herr Krüger, Mitte vierzig, mit wasserblauen Augen und stets glänzender Halbglatze, Herr Meisner, Ende fünfzig und Ehrfurcht gebietend mit seinen zwei Meter fünf und dem strengen Blick hinter randlosen Brillengläsern, und zu guter Letzt Frau Sinning im schwarzen Hosenanzug und mit blonder Kurzhaarfrisur. Ich lächle in die Runde und warte auf den Adrenalinkick, der mich unter normalen Umständen jetzt ereilen sollte. Immerhin sitzen hier vier der obersten Köpfe der Vereinsbank, um mir zuzuhören. Ich bin über zehn Jahre jünger als der Jüngste von ihnen, und dennoch sehen sie mich alle voller Respekt an. Das ist ein gutes Gefühl. Doch während ich von einem zum anderen gehe, sie mit festem, selbstbewussten Händedruck begrüße und Small Talk betreibe, taucht auf dem mit schwarzem Leder bezogenen Sessel neben Frau Sinning Simon auf. Und zwar in voller Skiausrüstung, mit dunkelbrauner Wollmütze und Schneebrille. Am liebsten möchte ich ihn anbrüllen, dass er verschwinden soll. Zum Glück bin ich mir völlig im Klaren darüber, dass all das nur meiner Einbildung, meinen überreizten Nerven entspringt. Eine Unternehmensberaterin, die zu Beginn der Präsentation erst mal einen unschuldigen Ledersessel zusammenschreit, wäre sicher alles andere als vertrauenerweckend. Ich muss mich jetzt zusammenreißen. Simon ignorieren. Mit wackeligen Beinen gehe ich an das hintere Tischende, wo schon der Overheadprojektor bereitsteht, und lege meine Sachen ab. Als ich gerade die schwarzen Angebotsmappen verteilen will, klingelt mein Blackberry.
    »Verzeihung«, sage ich hastig und greife danach, um es auszustellen. Fast im selben Moment gehen zum Glück noch zwei weitere Telefone los, und Frau Sinning und D20 kramen hastig in ihren Taschen.
    »Sinning?«
    »Otto?« Na schön, wenn hier sowieso telefoniert wird … Ich werfe einen Blick auf das Display und öffne die neue Nachricht.
    LIEBE VIVI, lese ich und weiß schon jetzt, dass ich gerade einen schweren Fehler begangen habe, ES TUT MIR SO LEID. ICH HABE WIRKLICH VERGESSEN, DASS HEUTE DEINE GROSSE PRÄSENTATION IST. WENN ICH DARAN GEDACHT HÄTTE, HÄTTE ICH MICH ERST SPÄTER GEMELDET. HOFFENTLICH HABE ICH DICH NICHT AUS DEM KONZEPT GEBRACHT. VIEL ERFOLG. SIMON.
    »Ist Ihnen nicht gut, Frau Sonntag?«, dringt eine Stimme von weither an mein Ohr, und ich blicke verwirrt um mich.
    »Doch, alles gut«, wehre ich ab, während in meinem Kopf ein einziges Wort widerhallt: Mistkerl, Mistkerl, verdammter Mistkerl. Dann fällt mein Blick auf die erwartungsvollen Gesichter vor mir, und ich teile die Mappen aus, anhand derer meine Zuhörer die Präsentation verfolgen können, die ich nun mit sachlicher Stimme, aber ohne Elan zu halten beginne. Seltsamerweise läuft alles wie am Schnürchen, obwohl mich die ganze Zeit über ein zeternder Kobold in meinem Kopf begleitet, der sich die Haare rauft und gen Himmel flucht: Mistkerl, Mistkerl, Mistkerl. Aber nebenher laufe ich irgendwie auf Autopilot, und mache meine Sache anscheinend gar nicht mal so schlecht. Hier und da

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