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Mit freundlichen Küssen: Roman (German Edition)

Mit freundlichen Küssen: Roman (German Edition)

Titel: Mit freundlichen Küssen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jana Voosen
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ob das normal ist, solch ausgeprägte Halluzinationen zu haben. Simons Anwesenheit ist nämlich nicht nur eine Redensart, nein, ich sehe ihn wirklich vor mir, bis hin zu den dunkelbraunen Sprenkeln in seiner sonst grünen Iris. Noch ein Tag, dann kann ich nach Hause fahren. Und nach der Präsentation, wenn die Vereinsbank, möge Gott uns helfen, unser Angebot akzeptiert hat, wird es ruhiger werden.
    »Vivi?« Mist, ich bin schon wieder abgedriftet. Wenn ich so weitermache, bekommen wir den Auftrag erst gar nicht. Und damit wäre ich im Hause Wisenberg Consulting Geschichte, da mache ich mir keine Illusionen. Mein erstes Projekt als verantwortliche Managerin muss reibungslos ablaufen. Und ein voller Erfolg werden. »Rechner aus und Feierabend«, sagt Benjamin sehr bestimmt.
    »Nein, ich bin noch nicht genug vorbereitet«, widerspreche ich, »irgendwie kann ich mich überhaupt nicht konzentrieren.«
    »Es ist wichtig, dass du morgen Früh frisch und ausgeruht bist«, antwortet er in einem Ton, der keinen Widerspruch duldet. Sicher, er hat Recht. Auch wenn es sich in den letzten Nächten nicht gerade hervorragend in meinem Hotelbett geschlafen hat, mit einem imaginären Simon neben mir, der sich für einen Geist geradezu unverschämt breit macht.
    »Na gut«, sage ich ergeben und öffne die Maske für den Drucker, »wenn du noch zehn Minuten Zeit hast, können wir zusammen ins Hotel fahren.«
    »Einverstanden, ich hole dich gleich ab.« Damit verschwindet er, und ich starre stumpfsinnig auf den hochmodernen Laserdrucker in der Ecke, der Papier um Papier ausspuckt. Sorgfältig loche ich die Stapel und füge sie in die bereitliegenden schwarzen Mappen mit dem silbernen Firmenschriftzug ein. Zwei, drei, vier Exemplare für die Verantwortlichen der Vereinsbank, eins für mich, eins für die Akte. Dann die Folien für den Overhead-Projektor. Gerade als ich fertig bin, kommt Benjamin zurück.
    »Können wir?«
    »Ja.« Ich werfe einen letzten Blick zurück auf das Chaos, in dessen Mitte sich fein säuberlich die Präsentationsmappen stapeln, und beschließe, morgen das Büro erst in Richtung Flughafen zu verlassen, wenn die gläserne Platte meines Schreibtisches blitzt und blinkt.
     
    Als ich am nächsten Morgen um Viertel vor acht, noch früher als gewöhnlich, die Büroräume betrete, die uns von der Vereinsbank zur Verfügung gestellt wurden, bin ich überrascht, Benjamin schon an seinem Schreibtisch vorzufinden.
    »Was machst du denn schon hier?« Er sieht müde aus, als er zu mir hochblickt, mit dunklen Ringen unter den Augen.
    »Ich konnte nicht mehr schlafen«, sagt er achselzuckend, »Lydia hielt es für eine gute Idee, mich mitten in der Nacht anzurufen, um über unsere Beziehung zu reden. Das war um zwei.«
    »Oh.«
    »Und nachdem ich drei Stunden mit ihr darüber gesprochen habe, hat sie den Hörer auf die Gabel geknallt. Nicht ohne mir vorher zu drohen, dass sie sich scheiden lässt, wenn ich nicht was ändere.«
    »Oh«, sage ich erneut.
    »Danach konnte ich natürlich nicht mehr einschlafen, also bin ich hierher gefahren.« Ich nicke mitfühlend.
    »Hör zu, ich weiß, wie du dich fühlst«, das weiß ich wirklich, »und sollte es zum Schlimmsten kommen, dann bin ich für dich da. So, wie du für mich da gewesen bist in dieser Woche.« Dankbar lächelt er zu mir hoch.
    »Danke, Vivi. Ich hoffe nicht, dass es so weit kommt.«
     
    Ich kann mir nicht helfen, aber Benjamins Unglück gibt mir neue Kraft. Wie verwerflich ist das, bitteschön? Aber schon das Wissen, mit meinem Schicksal nicht alleine dazustehen, hilft enorm. Und ich fühle mich nicht mehr halb so unzulänglich wie noch vor zehn Minuten. Vielleicht bin ich keine so schlechte Freundin für Simon gewesen? Vielleicht hätte er einfach auch ein bisschen mehr Verständnis für mich haben sollen? Und für meinen Job. Okay, er hatte eine ganze Menge Verständnis, aber ja wohl in letzter Konsequenz nicht genug. Vielleicht ist es nicht möglich, beides zu haben: Liebe und Karriere?
    Energischen Schrittes betrete ich mein Büro und sehe entsetzt auf meinen chaotischen Schreibtisch. Das ist aber wirklich kein schöner Anblick, wenn man hier reinkommt. Als verantwortliche Managerin sollte ich ein Vorbild für die Mitglieder meines Teams sein. Und noch wichtiger, als Repräsentantin der Firma vor dem Kunden auftreten. Ein Blick auf die Uhr zeigt mir, dass ich noch über eine Stunde Zeit habe, bis man sich zur Präsentation im Konferenzraum versammelt. Das

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