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Mit freundlichen Küssen: Roman (German Edition)

Mit freundlichen Küssen: Roman (German Edition)

Titel: Mit freundlichen Küssen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jana Voosen
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seid ihr eigentlich noch zusammen?«, reißt mich Lutz aus meinen Gedanken und stellt mir einen dampfenden Milchkaffee vor die Nase.
    »Ähm, nein, seit Kurzem nicht mehr«, sage ich so emotionslos wie möglich. »Danke.«
    »Verstehe«, nickt Lutz und seufzt tief. »Lass mich raten, die Beziehung ist neben der Karriere auf der Strecke geblieben?« Erschrocken sehe ich ihn an, und er legt mir eine Hand auf den Arm. »Solche Geschichten habe ich schon tausendmal gehört«, erklärt er mitfühlend. »Glaubst du, auch nur eine Einzige meiner Kundinnen würde freiwillig dreihundert Euro für ein Date zahlen, wenn sie die Zeit hätte, sich einen richtigen Freund zu suchen.«
    »Vermutlich nicht«, flüstere ich.
    »Eben.« Kopfschüttelnd sieht er vor sich hin. »Die Leute kapieren einfach nicht, dass es Wichtigeres im Leben gibt als Geld und Erfolg. Was hat man denn davon, wenn man niemanden hat, der das Glück mit einem teilt?«, sinniert er vor sich hin, und ich muss mir jetzt wirklich die größte Mühe geben, um nicht hier und jetzt in Tränen auszubrechen. »Liebe ist das Wichtigste auf der Welt, aber heutzutage ist sie nur noch eine Begleiterscheinung. Alle wollen einen Partner, aber sich Mühe geben, das will keiner.« Vor meinem inneren Auge erscheint ein bunter Weihnachtsmann aus Pappe, der ein bisschen schielt, und ich würge den Kloß in meinem Hals hinunter. Verwundert schaue ich Lutz an, der hier mal so eben nebenbei erläutert, was in meinem Leben schiefgelaufen ist. Wie kann er das bloß wissen? Er hebt den Blick, und der Ausdruck seiner blauen Augen verändert sich von einer Sekunde auf die andere:
    »Oh, Vivi, damit meine ich natürlich nicht dich. Ich weiß ja gar nicht, wie das bei euch war. Tut mir echt Leid, das mit deinem Freund, ehrlich«, beteuert er und tätschelt meinen Arm. Ich nicke mechanisch:
    »Ja, danke.« Wie kann man sich nur so schlecht fühlen? Plötzlich kann ich es Simon nicht einmal mehr übelnehmen, dass er mich verlassen hat. Ich habe meine Arbeit tatsächlich immer viel wichtiger genommen als meine Beziehung. Simon, na, der war eben da, aber für meinen Job musste ich jeden Tag wieder kämpfen. All meine Energie habe ich dort gelassen, bis nichts mehr übrig war. Keine Zeit für eine zärtliche SMS in der Mittagspause, weil ich da lieber noch mal eine Kalkulation durchsehen wollte. Wieso bin ich nicht auf die Idee gekommen, wenigstens am Sonntag mal für ihn den Kaffee zu kochen? Orangensaft auszupressen? Wieso habe ich am Montagmorgen keine Nachricht auf dem beschlagenen Badezimmerspiegel hinterlassen? Wieso habe ich nicht ein einziges Mal aus dem Souvenirshop des Münchener Flughafens einen Teddybären in Lederhosen und mit Herz auf dem Bauch mitgebracht? Warum, verdammt noch mal, habe ich keinen Adventskalender gebastelt? Verblüfft stelle ich fest, dass es tausendundeine Möglichkeit für romantische Aufmerksamkeiten im Alltag gibt. Warum nur war ich nur immer so schrecklich unkreativ? Vermutlich, weil mein gesamter Ideenreichtum sich auf die Projekte konzentriert hat, die ich im Auftrag von Wisenberg Consulting bearbeitet habe.
    »Hab ich was Falsches gesagt? Du bist plötzlich so blass«, reißt Lutz mich aus meinen Gedanken.
    »Nein, nein«, versichere ich und versuche, mich wieder auf das Gespräch zu konzentrieren.
    »Na ja, schließlich ist ja jeder für sein Glück selber verantwortlich«, fährt Lutz fort, »sollen die doch alle ihrer Karriere hinterherhecheln. Und ganz ehrlich, wenn die Männer nicht abends im Büro festhängen würden, könnte ich ihren Frauen keine gesungenen Grußbotschaften übermitteln. Stimmt’s?« Nachdenklich sehe ich ihn an. »Hey, hörst du mir eigentlich zu?«, fragt er und stupst mich mit dem Ellenbogen an, nachdem ich ihm eine Antwort schuldig bleibe.
    »Und ob ich dir zuhöre«, platze ich heraus, »und du bist brillant.«
    »Wer? Ich?« Er fährt sich verlegen durchs Haar und läuft allen Ernstes ein bisschen rot an. In diesem Moment spüre ich eine Welle von Adrenalin, die durch meinen Körper läuft. Ich fühle mich wie ein Raubtier, das seine Beute wittert. Jede Muskelfaser ist bereit zum Angriff, ich rieche eine gute Idee, eine verdammt gute Idee. Lutz sieht jetzt fast ein bisschen ängstlich aus. Keine Sorge, er ist nicht meine Beute, obwohl er gerade schon ein bisschen Ähnlichkeit mit dem Kaninchen vor der Schlange hat.
    »Ich weiß jetzt, womit ich mich selbstständig mache«, rufe ich triumphierend aus und haue ihm vor lauter

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