Mit freundlichen Küssen: Roman (German Edition)
die Spitze des Eisberges. Ich biete eine Rundumbetreuung an. Vielleicht in mehreren, unterschiedlich teuren Paketen. Von Standard bis Premium. Ich bin sicher, die Leute würden eine Menge Geld dafür bezahlen, nur um einen zufriedenen Partner zu Hause zu haben.« Mir jedenfalls wäre es eine Menge Geld wert gewesen, füge ich im Geiste hinzu. Gespannt sehe ich mein Gegenüber an. »Na? Was sagst du?«
»Hmm«, macht er unbestimmt. »Ich weiß nicht so genau. Ist das nicht irgendwie unmoralisch?«
»Die Menschen wären glücklicher, die Beziehungen stabiler, was soll daran falsch sein?«, kontere ich und er nickt langsam.
»Na ja, so betrachtet …«
»Genau«, strahle ich und krame in meiner Handtasche nach einem Kugelschreiber. Dann streiche ich die weiße, leicht zerknautschte Serviette glatt, nachdem ich die Kekskrümel davon heruntergeschüttelt habe, und setze die Stiftspitze an die linke obere Ecke. »Schieß los! Erzähl mir von jeder romantischen Aktion, die du je in deinem Leben gebracht hast«, fordere ich ihn auf.
»Wie meinst du …«
»Na ja, Judith hat mir von eurem Trip mit dem Paddelboot auf die Alster erzählt. Bei Mondschein«, helfe ich ihm auf die Sprünge und er nickt.
»Ja, das habe ich öfter getan. Aber wer war Judith?« Empört haue ich ihm auf den Arm.
»Judith war meine Freundin, und du hast sie noch im Ruderboot vernascht und am nächsten Morgen abgeschossen«, erkläre ich grimmig, und er grinst schuldbewusst.
»Das tut mir Leid. Ich, äh, war ganz gut beschäftigt damals auf der Uni.«
»Was du nicht sagst«, kontere ich trocken.
»Heute bin ich ganz anders«, versichert er mit treuherzigem Augenaufschlag.
»Wer’s glaubt, wird selig«, spotte ich.
»Jedenfalls bin ich viel ruhiger geworden. Willst du jetzt meine Tipps hören oder nicht?«, fragt er beleidigt.
»Schieß los!«
»Ganz ehrlich, bei so viel kreativer Energie hast du es dir wirklich verdient, die gesamte Hamburger Uni durchgevögelt zu haben«, sage ich zufrieden, nachdem ich die dritte Papierserviette vollgeschrieben habe.
»Danke.« Er lächelt bescheiden.
»Na ja, wenn dir noch was einfällt, dann sei doch so lieb und schreib mir eine E-Mail, okay«, sage ich und krame meine Visitenkarte hervor, die ich ihm in die Hand drücke. »War super, dich getroffen zu haben.« Beflügelt von meiner genialen Idee will ich so schnell wie möglich an meinen Laptop und ein Konzept ausarbeiten. Sorgfältig lege ich die Servietten übereinander und verstaue das kostbare Gut in meiner Handtasche. Dann stehe ich auf und gebe Lutz einen Schmatzer auf die Wange. »Hast mir sehr geholfen.«
»Moment mal.« Damit schließt sich seine mittlerweile nicht mehr in einem filzigen Fausthandschuh steckende Hand um meinen Unterarm. »Du kannst doch jetzt nicht einfach gehen.« Irritiert sehe ich auf seine schlanken Finger herab, deren Griff zugleich sanft, aber auch irgendwie bestimmt ist. Meine Knie werden ein wenig weich, als ich wieder hoch und in Lutz’ strahlend blaue Augen sehe.
»Nicht?«, frage ich heiser und sinke in Zeitlupe auf meinen Stuhl zurück.
»Nein. Du kannst mir doch nicht all meine Dating-Geheimnisse klauen und dann einfach gehen«, meint er und lässt meinen Arm wieder los. Schade eigentlich. Ich möchte wetten, dass ich so etwas wie einen Funken habe sprühen sehen.
»Nicht?«, wiederhole ich wenig eloquent und hänge an seinen Lippen. Mein Verstand sagt mir natürlich, dass es eine absolute Frechheit von Lutz ist, jetzt im Gegenzug von mir Sex zu verlangen. Indiskutabel. Unmoralisch. Auf der anderen Seite sehne ich mich so sehr nach einem Körper, an den ich mich anschmiegen kann. Es muss ja nichts auf Dauer werden, denke ich nach einem Blick auf sein Hundekostüm. Nur ein bisschen Sex, um mein Selbstbewusstsein aufzupolieren. Was ist denn schon dabei?
»Also, ich denke, du brauchst doch sowieso noch jemanden, oder willst du es alleine machen?«, fragt Lutz, und ich starre ihn verwirrt an.
»Das tue ich ja nun nicht freiwillig, aber, also, Frauen haben ja schließlich auch gewisse Dings, Bedürfnisse.« Ich merke, wie mir das Blut in die Wangen schießt. Verdammt noch mal, was rede ich denn da? Ob und wie gerne oder ungerne ich es mir selber mache, geht Lutz ja wohl einen feuchten Kehricht an.
»Hä?« Jetzt stellt der Kerl sich auch noch dumm, vermutlich, um irgendwelche pikanten Details aus mir herauszulocken. Da hat er sich aber geschnitten.
»Das Thema ist beendet«, sage ich knapp, da greift
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