Mit freundlichen Küssen: Roman (German Edition)
Begeisterung gegen den Oberarm, dass der Staub nur so aus seinem Kostüm hervorwirbelt.
»Tatsächlich? Womit denn?« Ich stocke einen Moment und horche in mich hinein. Vielleicht ist es verrückt. Eine Übersprungshandlung. Noch vor einer Viertelstunde war ich deprimiert, mit den Nerven am Ende und wusste nicht, wie es weitergehen soll. Zwei Kaffee später fühle ich mich plötzlich wieder voller Energie. Entweder bin ich im Koffeinrausch, oder meine Idee ist tatsächlich genial. Im Bruchteil von Sekunden habe ich mich dazu entschlossen, Herrn Hubers Bitten zu erhören. Ich werde bei Wisenberg kündigen. Was soll ich in einer Firma, der ich mein Privatleben geopfert habe, und die mich dennoch nicht zu schätzen weiß? Obwohl ich engagiert und kompetent bin – zumindest für eine Frau. Ich werde ein Unternehmen gründen, und ich habe das untrügliche Gefühl, dass soeben eine geniale Geschäftsidee geboren wurde.
»Jetzt sag schon«, drängelt Lutz und rutscht ungeduldig auf seinem Stuhl hin und her. Ich zögere. Wie gut ist die Idee wirklich? Eine Idee, aus einer Laune heraus entstanden, aus einem Gefühlszustand? In diesem Moment sehe ich das gerötete Gesicht von Herrn Huber vor mir, höre seine Stimme:
»Geschäft ist Geschäft, da haben Emotionen keinen Platz.« Na, das werden wir ja sehen. Entschlossen hebe ich den Kopf und meine Kaffeetasse: »Ich gründe eine Liebesdiensteagentur!«
Kapitel 9
Leider verweigert mir mein Gegenüber seinen weißen Porzellanbecher zum Anstoßen, aber davon lasse ich mich nicht beirren. Stattdessen proste ich ihm zu und nehme einen tiefen Schluck.
»Und was soll daran neu sein?«, fragt Lutz mich mit ratlosem Gesichtsausdruck, »ist das nicht das älteste Gewerbe der Welt? Und ausgerechnet hier in Hamburg. Meinst du nicht, auf der Reeperbahn gibt es genug Puffs und so’n Kram?« Erneut haue ich ihm auf den Arm, diesmal vor Empörung.
»Ich rede doch nicht von Prostitution, was denkst du denn von mir?« Ich als Puffmutter, das wäre es noch. »Nein, hör zu, du hast es doch eben selber gesagt: Wir leben in einer Welt von machthungrigen Karrieremenschen. Aber wenn der Tag zu Ende ist und wir müde in unsere Wohnung zurückkommen, dann wünschen wir uns einen Partner. Nichts ist so deprimierend wie ein leeres Bett, eine einsame Zahnbürste im Becher, alleine frühstücken.« Mit einem eifrigen Nicken bestätigt Lutz, dass er mir bis hierhin folgen kann. »Aber eine Beziehung fordert natürlich auch Aufmerksamkeit von uns. Und wenn wir uns nicht um sie kümmern, dann …«, ich muss mich kurz räuspern, »... dann verlieren wir sie.« Kurz sehe ich Simon vor mir, der in seiner Jacke an unserem Esstisch sitzt und mir das Ende unserer Beziehung verkündet. Die Erinnerung ist so real, dass ich sogar die kalte Luft zu spüren glaube, die über meinen halbnackten Körper streicht. Mich schaudert. Na schön, vielleicht sollte man doch nicht zu emotional an geschäftliche Dinge herangehen. Ich verbanne Simon aus meinen Gedanken und widme mich stattdessen einem anderen Bild. »Und ehe man sich versieht, steht der oder die Liebste plötzlich mit gepackten Koffern da und will die Scheidung.« Jetzt grinse ich ein wenig diabolisch. Obwohl ich Hubers Exfrau, eine zarte, eher unscheinbare Erscheinung mit grauem Pagenkopf und nervös umherhuschenden Knopfaugen nur einmal kurz auf einer Weihnachtsfeier zu Gesicht bekommen habe, kann ich mir lebhaft ausmalen, wie sie meinem Chef ihre Ehe vor die Füße wirft. Ich weide mich ein wenig an der Vorstellung seines Gesichtes. Auch wenn er danach ins Büro gegangen ist, um seinen Job zu machen, schön war es bestimmt nicht.
»Äh, ja und?«, fragt Lutz begriffsstutzig, und ich führe weiter aus:
»Geld ist nicht das Problem bei diesen Leuten.« Und mit »diesen Leuten« meine ich jene Menschen, mit denen ich in den letzten vier Jahren ausschließlich zu tun hatte. Mich eingeschlossen. »Das Problem ist die Zeit. Sie haben einfach keine Zeit, um sich ihrem Partner zu widmen, sich liebevolle Überraschungen, romantische Kleinigkeiten einfallen zu lassen. Das hat nichts damit zu tun, dass sie nicht lieben«, verteidige ich mich und die gesamte Zunft der überarbeiteten Manager. »Verstehst du?«
»Ehrlich gesagt nein.«
»Hier komme ich ins Spiel«, sage ich begeistert, »ich kümmere mich um die vernachlässigten Partner von gestressten Managertypen.«
»So was wie gesungene Grußbotschaften«, nickt Lutz verstehend.
»Genau, aber das ist nur
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