meinst.«
»Außerdem ist es nicht deine Größe«, füge ich tröstend hinzu. »Ich habe sie in Größe 42/43 gemacht, das ist die durchschnittliche Schuhgröße des deutschen Mannes.« Das habe ich extra im Internet recherchiert.
»Ach so. Aber die hier sind wirklich toll. Vielen Dank!«
»Gern geschehen«, antworte ich und versenke dann die übrigen Socken in der unteren Schublade der Kommode neben dem Sofa. Dabei blitzt ein anderes Paar hervor, das ich eigentlich lieber vergessen wollte. Es ist aus brauner, beiger und schwarzer Wolle und für extrem große Füße gedacht. Simons Füße.
Auch in den nächsten Wochen reißt der Ansturm auf unser Geschäft nicht ab. Wenn das so weitergeht, schreiben wir bald schon schwarze Zahlen, womit ich im Leben nicht gerechnet hätte und was strenggenommen vor dem Ablauf von zwölf Monaten ja auch gar nicht nötig wäre, Wisenberg Consulting sei Dank. Lutz und ich sind mittlerweile ein gut eingespieltes Team, den Valentinstag haben wir ohne größere Probleme gewuppt, auch wenn das natürlich ein Mörderstress war. Aber so musste ich wenigstens nicht darüber nachdenken, dass ich am Tag der Verliebten alleine war. Am Montagmorgen setze ich mich mit meinem Kaffeebecher an den Schreibtisch und öffne das Mailprogramm, während ich mit der anderen Hand gegen die Verbindungswand zu Lutz Zimmer wummere. Diese Schlafmütze hat sich noch immer nicht gerührt, obwohl es schon fast zehn Uhr ist.
»Aufstehen«, brülle ich hinüber, und erst, als er durch Klopfzeichen zu erkennen gibt, dass der Herr aufzuwachen geruht hat, wende ich mich der ersten E-Mail zu:
Von:
[email protected] An:
[email protected] Betreff: Heiratsantrag
Sehr geehrte Frau Sonntag,
Ihr Unternehmen ist mir von einem Kollegen empfohlen worden, und ich hoffe sehr, dass Sie mir bei meinem Problem behilflich sein können. Ich möchte meiner langjährigen Freundin einen Heiratsantrag machen, den sie niemals vergessen und, noch wichtiger, annehmen soll. Leider geht mir jede Art von Romantik, das muss ich so selbstkritisch sagen, schlichtweg ab. Von Beruf bin ich Wirtschaftsprüfer und daher gewohnt, rational und sachlich zu agieren. Lisa, meine Lebensgefährtin, ist da ganz anders. Sie ist Künstlerin, spontan, lebenslustig und verträumt. Während ich dies schreibe, frage ich mich, was sie an mir trockenem Gesellen eigentlich findet.
Meiner Meinung nach stellt Herr Fenner sein Licht zu sehr unter den Scheffel. Seinen Schreibstil finde ich zumindest äußerst amüsant. Kichernd fahre ich mit meiner Lektüre fort:
Nun zu meinem Anliegen: Können Sie mir helfen? Mein
Kollege schwärmte in den höchsten Tönen von Ihnen.
Mit freundlichen Grüßen,
Johannes Fenner
PS: Wäre nächstes Wochenende zu früh?
PPS: Ich möchte noch gerne sagen, dass ich mich wirklich
nicht drücken möchte. Ich bin schlicht unkreativ und will
Lisa nicht enttäuschen.
Wie süß! Ich bin richtig gerührt. Gerade will ich Herrn Fenner unseren Fragebogen zumailen, da entdecke ich, dass die Mail noch nicht zu Ende ist:
PPPS: Ohne Ihnen zu nahe treten zu wollen muss ich Ihnen sagen, dass ich Lisa mit »herkömmlicher Romantik« wie Candlelight-Dinner und Geigenmusik nicht beeindrucken kann (das habe ich schon versucht). Ich glaube, sie war durch meine kläglichen Versuche zwar gerührt, aber … nun, Sie verstehen: Diesmal brauche ich eine wirklich originelle Idee.
Ups! Das wird schwieriger als ich dachte.
»LUTZ!?! AUFSTEHEN!«
Ich gebe zu, dass ich leise Zweifel hatte, Lutz Wichtel als meinen Mitarbeiter einzustellen. Ehrlich gesagt hielt ich es sogar für eine Schnapsidee. Aber das war damals. Spätestens heute gebe ich zu, dass ich ohne ihn ziemlich aufgeschmissen wäre. Keine Stunde später halte ich die Beschreibung von Lisa, hoffentlich zukünftige Frau Fenner, in Händen und sehe etwas ratlos auf das mitgeschickte Foto, auf dem mich ein Blumenkind der Siebziger unter karottenroter, in der Mitte gescheitelter Haarmähne anstrahlt.
»Beruf: Restauratorin. Hobbys: Malen, Bildhauern, Harfe spielen«, lese ich vor. »Eigenschaften: Aktiv, aufgeschlossen, emotional, kontaktfreudig.«
»Lass mal sehen«, unterbricht mich Lutz und entreißt mir den Fragebogen. »Die ist ja süß«, kommentiert er die Fotografie, und insgeheim muss ich zugeben, dass diese Frau rein optisch bestens zu einem Chaoten wie Lutz passen würde. Stattdessen ist sie mit einem Wirtschaftsprüfer zusammen. Aber wahrscheinlich ergänzen