Mit freundlichen Küssen: Roman (German Edition)
sich die beiden prima. So wie Lutz und ich. Während ich noch überlege, ob ein Candlelight-Dinner mit Harfenmusik vielleicht keine »herkömmliche Romantik« ist, hat er die ultimative Idee.
Mit einer riesigen, fachgerecht gerahmten Leinwand unter dem Arm, die ich mit einer grauen Decke verhüllt habe, mache ich mich zwei Tage später auf den Weg in Lisas Atelier. Keuchend zerre ich das Monstrum aus meinem Wagen, den ich unter einer uralten Eiche auf dem Hof geparkt habe. An drei Seiten erstrecken sich lange Fabrikhallen. An der rechten weist ein zwei mal zwei Meter großes, buntes Wandbild darauf hin, dass hier Kunstwerke und Gemälde aller Art konserviert und restauriert werden. Ich drücke den Klingelknopf, und wenig später steht eine Frau in einem weißen Overall vor mir, die roten Locken zu einem lockeren Knoten geschlungen und mit lustig tanzenden Sommersprossen auf der Nase.
»Hallo«, sagt sie und streckt mir ihre Hand hin, »ich bin Lisa.«
»Vivi. Wir hatten telefoniert.«
»Genau, nur hereinspaziert.« Damit greift sie beherzt nach dem Bild und trägt es in ihr sicher fünf Meter hohes, lichtdurchflutetes Atelier, in dem eine Art organisiertes Chaos herrscht. Sie stellt mein Mitbringsel an die linke Wand und enthüllt es vorsichtig. Zum Vorschein kommt der Akt einer an einen Türrahmen gelehnten Frau, den Lutz vorgestern Nacht mit Ölfarbe gemalt hat.
»Huch«, meint Lisa, und in ihren Mundwinkeln zuckt es ein wenig. »Wenn das Motiv nicht wäre, würde ich das hier für das Werk eines Fünfjährigen halten.« Ich beschließe, dieses Urteil nicht an Lutz weiterzugeben, und nicke ernsthaft:
»Mein Bruder ist ein Kindskopf. Und betrunken waren er und seine Kumpels wohl auch. Sonst hätten sie sich wohl als Unterlage kaum ein Gemälde von Knut Gernading ausgesucht.«
»Wohl kaum«, nickt Lisa verstehend und streicht mit dem Zeigefinger über die Oberfläche des Bildes. »Das wird wohl nicht ganz billig werden.«
»Das macht nichts«, beteuere ich, »wenn Sie es nur bis Ende der Woche hinkriegen könnten? Dann kommen unsere Eltern aus Spanien zurück.«
»Das fänden sie wohl nicht so lustig.«
»Gar nicht lustig.«
Mit einem etwas mulmigen Gefühl im Magen steige ich zurück in mein Auto. Ich bin mir nicht sicher, ob es wirklich so eine gute Idee ist, dieser Frau so viel Arbeit aufzuhalsen, nur damit sie schließlich die Worte BITTE WERDE MEINE FRAU auf der Leinwand unter Lutz’ Kunstwerk freilegt. Aber meine Sorgen sind Gott sei Dank unbegründet. Drei Tage später legt mir ein Blumenlieferant einen riesigen Strauß weißer Tulpen in den Arm.
»Was soll das?«, frage ich ihn verwirrt. »Ich habe keine Blumen bestellt.«
»Soll ich hier abgeben.’ne Karte ist auch dabei. Tschüss.«
SEHR GEEHRTE FRAU SONNTAG,
HOFFENTLICH HALTEN SIE MICH NICHT FÜR EIN-FALLSLOS, WENN ICH IHNEN ZUM DANK FÜR IHRE ARBEIT BLUMEN SCHENKE. ICH HABE MIR SAGEN LASSEN, DASS ES DURCHAUS FRAUEN GIBT, DIE SICH ÜBER EINEN TRADITIONELLEN BLUMENSTRAUSS FREUEN. LISA HAT MEINEN ANTRAG ANGENOMMEN. HERZLICHEN DANK UND FREUNDLICHE GRUESSE VON JOHANNES FENNER
PS: IN VIER WOCHEN HAT SIE GEBURTSTAG. WAS MACHE ICH DENN NUR?
Heute haben wir den zweiten März, und mit dem Februar hat sich auch endlich der trübe Dauernieselregen verabschiedet. Zwei Wochen lang war der Himmel grau und verhangen, doch heute hat sich zum ersten Mal wieder die Sonne durch die dichte Wolkendecke gekämpft und sendet ihre wärmenden Strahlen zum Fenster herein, während ich Rechnungen schreibe. Derweil tüftelt Lutz an unserem, oder vielmehr seinem neuesten Einfall herum. Vorgestern hat er nämlich einen riesigen Karton mit dreißig »Kühlschrankpoesie-Magnetbüchern« angeschleppt, die er wahnsinnig günstig bei eBay ersteigert hat.
»Nicht mal zehn Euro das Stück, Wahnsinn, und bei Amazon kosten die das Doppelte«, hat er geschwärmt. Lutz hatte die, wie ich finde ziemlich geniale Idee, die Wortmagneten an unsere Kunden weiterzureichen. Als »Überraschung zwischendurch« für die Liebste (immer noch kein Liebster in Sicht). Lutz ist nun damit beschäftigt, aus den zur Verfügung stehenden Wörtern Gedichte und Liebeserklärungen zu formen. Die tütet er dann separat in kleine Plastikbeutel ein, legt einen Zettel mit dem Text dazu, und der Kunde muss sie nur noch zusammenbauen und die restlichen Magnete kreuz und quer an den Kühlschrank pappen. Genial, oder?
Neugierig trete ich hinter ihn und sehe mir an, was er da
Weitere Kostenlose Bücher