Mit freundlichen Küssen: Roman (German Edition)
darf.
»Ich habe sie gestern in der Stadt getroffen. Was für ein Zufall, findest du nicht auch?« Verwundert drehe ich mich wieder in seine Richtung. Da scheint ja jemand dringenden Redebedarf zu haben. »Ich habe sie drei Jahre lang nicht gesehen, und plötzlich steht sie vor mir. Sie ist noch genau so schön wie damals«, schwärmt er.
»Ganz schön cool von ihr, dass sie sich mit dir verabredet. Ich meine, nachdem du sie …«
»Ich verstehe gar nicht warum«, unterbricht er mich heftig, »und ich fürchte, sie wird mir sagen, dass sie einen neuen Freund hat und überglücklich mit ihm ist. Vielleicht ist sie sogar verheiratet. Nein, einen Ring habe ich nicht gesehen. Aber schwanger, oh Gott, sie ist schwanger. Ganz bestimmt.« Entsetzt sieht er mich an und rauft sich theatralisch die Haare.
»Das ist sie sicher nicht«, versuche ich ihn zu beschwichtigen. »Vielleicht geht es ihr wie dir, und sie hat sich gefreut, dich wiederzusehen.« Er hebt den Kopf und sieht mich hoffnungsvoll an.
»Meinst du wirklich?«
»Na ja, es könnte doch sein. Du bist doch ein netter Kerl.«
»Nett?«, fragt er entsetzt.
»Sexy, attraktiv und unwiderstehlich«, necke ich ihn, und er schneidet eine Grimasse. »Aber jetzt mal im Ernst: Sehe ich das richtig, dass du total verliebt in die Frau bist?«
»Das war ich immer und werde es immer sein«, nickt er düster. »Sie hat mir damals überhaupt keine Chance gelassen, ihr irgendetwas zu erklären. Hat mich einfach sang- und klanglos aus ihrem Leben geschmissen.« Richtig so, denke ich. Laut sage ich:
»Was gibt es da auch groß zu erklären?«
»Stimmt auch wieder. Ich war ein Hornochse.«
»Allerdings«, gebe ich zu, »aber vielleicht ist das Leben ja gnädig und gibt dir eine zweite Chance mit ihr.«
»Hoffentlich!«
Um achtzehn Uhr sitze ich auf dem Rand meiner Badewanne und sehe Lutz dabei zu, wie er sich für sein Date zurechtmacht. Irgendwie ist die Situation absurd. Nachdem er jedes Kleidungsstück aus seinem Schrank angezogen und verworfen hat, um sich schließlich doch wieder für das allererste Outfit zu entscheiden, steht er nun schon seit geraumer Zeit vor dem Spiegel und fragt mich bei jeder Kleinigkeit um Rat.
»Scheitel links, oder rechts, lieber verstrubbelt oder ordentlich? Und welches Parfum soll ich bloß benutzen?« Nachdem er mir vier verschiedene Düfte unter die Nase gehalten hat, rieche ich rein gar nichts mehr und zeige willkürlich auf die grüne Flasche.
»Meinst du wirklich?«
»Dann frag mich nicht«, gebe ich achselzuckend zurück. »Ich würde empfehlen, dass du einfach das Parfüm von damals trägst. Gefühle gehen durch die Nase.«
»Aber das habe ich doch gar nicht mehr. Cool Water hat mich immer an Luisa erinnert, deshalb habe ich es nie wieder benutzt.« Da tun sich ja emotionale Abgründe auf, die ich nie und nimmer erwartet hätte.
»Nun, so wichtig ist es auch nicht«, beschwichtige ich ihn, aber er ist schon wieder in heller Aufregung. »Vielleicht kann ich gleich noch kurz bei Douglas vorbei, bevor ich sie abhole.«
»Eine gute Idee«, nicke ich.
»Und, wie sehe ich aus?« Damit dreht er sich zu mir um und wartet mit gesenktem Haupt auf mein Urteil. Ich betrachte ihn eingehend. Er sieht natürlich großartig aus. Wie immer.
»Lutz«, sage ich seufzend und nehme seine Hand, »dein Aussehen war sicherlich noch nie das Problem. Du siehst sehr gut aus.«
»Wirklich?« Er lächelt geschmeichelt.
»Auch wenn du das Wort ›nett‹ als eine Art Beleidigung empfindest, ist es heute Abend vermutlich deine wichtigste Aufgabe, Luisa zu beweisen, dass du genau das bist. Ein netter Kerl. Kein Weiberheld und Fremdgänger. Und das, obwohl du so gut aussiehst.« Jetzt lässt er beschämt ein wenig den Kopf hängen. »Das schaffst du schon«, muntere ich ihn auf und wuschele kurz mit der Hand durch seine Haare, »wenn sie den Leuten nicht nur bis vor die Stirn guckt, erkennt sie deinen wahren Charakter«, kann ich mir nicht verkneifen zu sagen, während er besorgt seine Frisur im Spiegel überprüft.
Eine Viertelstunde und etwa tausend Beteuerungen, dass alles wunderbar laufen wird, später, habe ich Lutz endlich aus der Haustür verfrachtet und die Wohnung für mich allein. Und was mache ich jetzt? Ich spüre, wie mich eine Welle von Neid überrollt, dass Lutz diese zweite Chance bekommt. Natürlich ist das gemein von mir, und ich gönne es ihm ja auch eigentlich von Herzen. Gleichzeitig finde ich das Ganze aber total ungerecht.
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