Mit freundlichen Küssen: Roman (German Edition)
befürchtet, nach all dem, was ich gesagt habe, würdest du nie wieder ein Wort mit mir wechseln.« Mit diesen Worten wendet er sich erneut zum Gehen, und ich stapfe hinterher. »Dieser Lutz, ich meine, ohne dich gleich wieder wütend machen zu wollen …« Wütend? Wer war denn hier wütend? Doch nicht ich, sondern Simon. Oder? Wenn ich mich recht erinnere. »Das ist schon ein etwas merkwürdiger Typ, aber du kennst ihn ja viel besser als ich. Ich weiß, dass da noch mehr dahinterstecken muss.« So, jetzt reicht es. Ich beschließe, hier und jetzt, meine dämliche Lüge über Lutz und mich aufzuklären. Hoffentlich hält mich Simon nicht für total bescheuert, aber wenn wir wirklich Freunde sein wollen, kann ich diese hirnrissige Geschichte sowieso nicht aufrechterhalten. Ich hole tief Luft und setze zum großen Geständnis an:
»Simon, ich …« Leider weiß ich gar nicht so recht, wie ich anfangen soll. Was soll ich denn sagen? Mir fällt die unsägliche Situation auf dem Lehrerparkplatz wieder ein. Wie kann ich Simon reinen Wein einschenken, ohne ihm von Amors Wichteln und Lauras Auftrag zu erzählen?
»Ja?« Er sieht mich erwartungsvoll an.
»Was?«, frage ich hilflos.
»Wolltest du nicht was sagen?«
»Äh, doch.« Ich trete nervös von einem Bein aufs andere.
»Dir ist mal wieder kalt, oder?«, er grinst und fasst nach meinen Händen, die tatsächlich klamm vor Kälte sind. Er reibt sie zwischen seinen. »Wann wirst du endlich lernen, dich richtig anzuziehen?« Ich zucke hilflos die Schultern. »Na komm, wir wärmen uns im Cliff ein wenig auf.« Damit zieht er mich die wenigen Meter bis zum Eingang des Alstercafés hinter sich her. Mir ist das eigentlich ganz recht. So habe ich wenigstens noch ein wenig Zeit, mir zu überlegen, was ich sagen soll. Die Terrasse ist fast menschenleer, ein ungewohnter Anblick, weil sich hier die Gäste tagsüber stapeln. Nur auf dem Steg, der in die Alster hineinragt und auf dem sich rustikale Holztische und -bänke befinden, trotzen zwei Gestalten, in dunkelblaue Decken gewickelt, der Kälte und sehen aufs Wasser hinaus. Wir betreten das rundherum verglaste Restaurant, angenehme Wärme umfängt mich. In dem mächtigen Kamin knistert gemächlich ein Feuer, auf jedem der runden Tische brennt eine schlichte, weiße Kerze. Während Simon mir aus der Jacke hilft, sieht er sich im Raum nach einem freien Platz um.
»Guck mal, da hinten am Fenster … ach du Scheiße«, unterbricht er sich dann selbst, und ich sehe ihn irritiert an. Dann folge ich seinem Blick, doch noch ehe ich wirklich erfassen kann, was ich sehe, packt er meine Hand und stürzt mit langen Schritten auf ein Pärchen zu, das sich an einem kleinen Ecktisch bei einem Glas Rotwein gegenübersitzt und sich Händchen haltend verliebte Blicke zuwirft. Auf dem Weg stolpere ich über den ausgestreckten Fuß eines jungen Mannes, der mich ziemlich unfreundlich ansieht.
»Entschuldigung«, murmele ich und rappele mich wieder hoch. Noch im Knien sehe ich Simon, wie er sich vor Lutz und seiner Begleitung aufbaut, die erschreckt auseinanderfahren und zu ihm hochblicken. »Simon, nicht«, will ich rufen, aber aus irgendeinem Grund kommt kein einziger Laut aus meiner Kehle hervor.
»Du blödes Arschloch«, wettert Simon los und wendet sich dann der zarten Blondine mit den leuchtend blauen Augen zu, die Lutz gegenübersitzt. Luisa, wenn mich nicht alles täuscht. »Hat der Kerl dir gesagt, dass er eine Freundin hat?«, fragt er sie heftig, und ich kann sehen, wie der Glanz ihrer Augen erlischt. Voller Entsetzen starrt sie von Simon zu Lutz und zurück. Mittlerweile habe ich mich wieder auf meine Füße gestellt und eile zum Ort des Dramas. Ich fasse Simon, der vor Wut zu schäumen scheint, am Arm, sehe Lutz, der mich völlig fassungslos ansieht, und dann Luisa.
»Äh …«, bringe ich hervor, aber noch ehe ich einen weiteren Ton sagen kann, springt Luisa, die eben noch aussah wie die sanfteste Person auf der ganzen Welt, auf. Ihre Hand schnellt vor und landet mit einem hörbaren Klatschen in Lutz’ Gesicht, der einen überraschten Schmerzenslaut ausstößt und sich wie in Trance erhebt.
»Luisa«, sagt er beschwörend und will nach ihrer Hand greifen, die sie ihm entreißt.
»Fass mich nicht an, fass mich nie wieder an«, zischt sie, und es klingt wie das Fauchen eines wilden Tieres.
»Bitte, das ist …«, versucht er zu erklären, und ich selber bringe ein weiteres »Äh …« zustande. Luisa reißt ihre Handtasche an
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