Mit geschlossenen Augen
total glücklich. Glücklich für mich und glücklich für ihn. Für ihn, weil es das war, wonach er verlangte, einer seiner sehnlichsten Wünsche. Für mich, weil ich mich endlich einmal mit Leib und Seele, mit meiner ganzen Person behaupten konnte ‒ einem anderen Menschen gegenüber behaupten, den ich regelrecht in mich aufgesogen hatte. Ich feierte das Fest meiner selbst. Als Nächstes kam die Peitsche dran: Ich zog zuerst den Griff, dann die Lederriemen über sein Gesäß, aber ohne ihm wehzutun; dann klopfte ich ihm leicht aufs Fleisch und spürte, wie er zusammenfuhr und sein Körper sich verspannte. Über uns immer noch der dicke Brummer, der unentwegt gegen die Glühbirne stieß, vor mir ein halb geöffnetes Fenster und eine Gardine, an der der Wind zerrte. Ein letzter, kräftiger Schlag auf seinen malträtierten roten Rücken, dann griff ich nach dem Phallus. Ich hatte so ein Ding noch nie in der Hand gehabt und fand es auch jetzt nicht gut. Das klebrige Gel, mit dem ich es einschmierte, blieb an meinen Fingern haften und mit ihm etwas ungemein Verlogenes und Unnatürliches. Wie anders war es da doch gewesen, Gianmaria und Germano dabei zu beobachten, wie sie ineinander eindrangen, sanft und voller Zärtlichkeit, und zu erleben, wie sich eine neue Wirklichkeit auftat ‒ neu, aber wahr und irgendwie tröstlich. Diese Wirklichkeit dagegen ekelte mich an: Hier war alles falsch und geheuchelt. Und wie erbärmlich er heuchelte, sich selbst, seiner Familie gegenüber ‒ ein Wurm, der vor einem kleinen Mädchen im Dreck kroch. Das Ding ging nur sehr mühsam rein, und ich spürte, wie es in meiner Hand vibrierte, als hätte es etwas zerfetzt: seine Eingeweide. Während ich immer wieder in ihn eindrang, wiederholte ich im Kopf bestimmte Sätze, wie die Formeln eines Ritus.
Für deine Dummheit, erster Stoß, für dein mangelndes Einfühlungsvermögen, zweiter Stoß, für deine Tochter, die nie erfahren wird, dass sie einen Vater wie dich hat, dritter Stoß, für deine Frau, die nachts an deiner Seite liegt, vierter Stoß, dafür, dass du mich nicht verstehst und nie den eigentlichen Kern meines Wesens erfasst hast ‒ die Schönheit. Jene wahre, echte Schönheit, die wir alle in uns haben, du aber nicht. Unzählige Stöße, und alle hart, trocken, schmerzhaft. Er stöhnte unter mir, er schrie und wimmerte bisweilen, und seine Öffnung, rot vor Anspannung und Blut, weitete sich immer mehr.
»Na, ist dir die Luft ausgegangen, dreckiger Sack?«, fragte ich ihn irgendwann mit einem grausamen Grinsen.
Er schrie laut hinaus, vielleicht hatte er einen Orgasmus, dann sagte er: »Genug, es reicht, bitte.«
Und ich ließ von ihm ab, während sich meine Augen mit Tränen füllten. Total außer sich und völlig zerschlagen ließ ich ihn auf dem Bett liegen, zog mich um und grüßte unten, im Hausflur, die Portiersfrau. Ihn habe ich nicht gegrüßt, nicht einmal angeschaut habe ich ihn, ich bin gegangen und basta.
Als ich zu Hause ankam, traute ich mich nicht, in den Spiegel zu blicken, und vor dem Schlafengehen bin ich mir auch nicht hundertmal mit der Bürste übers Haar gefahren. Ich hätte es, glaube ich, nicht ertragen, mein kaputtes Gesicht und mein völlig verfilztes Haar sehen zu müssen.
4. März 2002
Ich hatte die ganze Nacht über Alpträume; einer davon war besonders scheußlich.
Ich rannte durch einen dürren, dunklen Wald, verfolgt von irgendwelchen unheimlichen Missetätern. Vor mir erhob sich ein von der Sonne beschienener Turm ‒ genau wie bei Dante, der versucht, den Hügel zu erklimmen, aber von drei wilden Tieren daran gehindert wird. Nur dass es bei mir nicht drei wilde Tiere waren, sondern ein eitler Engel und seine Teufel und hinter ihnen ein Menschenfresser, der sich den Bauch mit kleinen Mädchen voll geschlagen hatte, und noch etwas weiter zurück ein monströses Zwitterwesen, dem eine Schar junger Sodomiten folgte. Sie alle hatten Schaum vor dem Mund, und manche schleppten sich nur mühsam dahin oder krochen gar über die trockene Erde. Ich rannte und schaute dabei immer wieder zurück, aus Angst, von einem dieser Ungeheuer eingeholt zu werden, die alle unverständliches Zeug brüllten. Irgendwann stolperte ich und schrie laut auf, dann tauchte zu meiner großen Verblüffung plötzlich das gutmütige Gesicht eines Mannes vor mir auf, der mich an die Hand nahm und durch dunkle Geheimgänge zum Fuß des Turmes führte. Dort streckte er den Finger aus und sagte: »Geh die Treppe rauf, aber dreh
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