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Mit Haut und Haar: 6. Fall mit Tempe Brennan

Mit Haut und Haar: 6. Fall mit Tempe Brennan

Titel: Mit Haut und Haar: 6. Fall mit Tempe Brennan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathy Reichs
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anderes Gerät abluden, das wir für die Bergung benötigten, erklärte ich Hawkins die Situation.
    »Es könnte ein Tierkadaver sein«, sagte ich mit schlechtem Gewissen, weil ich die Leute an einem Samstag herbestellt hatte.
    »Könnte aber auch eine Ehefrau mit einer Axt im Schädel sein.« Hawkins zog einen Leichensack aus dem Transporter. »Wir werden nicht fürs Raten bezahlt.«
    Joe Hawkins buddelte Leichen aus, seit DiMaggio und Monroe im Jahr 54 geheiratet hatten, und stand kurz vor der Pensionierung. Er konnte einige Geschichten erzählen. Damals wurden Autopsien noch im Keller des Gefängnisses durchgeführt, in einem Raum, der kaum mehr enthielt als einen Tisch und ein Waschbecken. Als North Carolina sein System zur Todesermittlung modernisierte und das Institut des Medical Examiner des Mecklenburg County seine jetzigen Räumlichkeiten bezog, nahm Hawkins nur ein Erinnerungsstück mit: ein Foto mit Autogramm des Baseballstars.
    »Aber wenn wir was Schlimmes finden, dann rufen Sie Doc Larabee an. Abgemacht?«
    »Abgemacht«, stimmte ich zu.
    Hawkins knallte die Doppeltüren des Vans zu. Ich musste daran denken, wie sehr der Job die Physiognomie des Mannes geprägt hatte. So kadaverdünn wie er war, mit dunklen Ringen unter verquollenen Augen, buschigen Augenbrauen und schwarz gefärbten, straff zurückgekämmten Haaren sah Hawkins aus wie ein Todesermittler von einer Casting-Agentur.
    »Glauben Sie, dass wir Scheinwerfer brauchen?«, fragte eine der Technikerinnen, eine Frau Mitte zwanzig mit fleckiger Haut und Großmutterbrille.
    »Mal sehen, wie’s läuft.«
    »Alles bereit?«
    Ich schaute Hawkins an. Er nickte.
    »Dann gehen wir’s an«, sagte Großmutterbrille.
    Ich führte das Team in den Wald, und in den nächsten zwei Stunden fotografierten, säuberten, verpackten und beschrifteten wir, wie es die Vorschriften des Medical Examiner verlangen.
    Kein Blatt rührte sich. Meine Haare klebten mir an Hals und Stirn, und unter dem Tyvek-Overall, den Hawkins mir mitgebracht hatte, wurden meine Kleider feucht. Trotz großzügiger Anwendung von Hawkins’ Deep-Woods-Insektenspray labten sich Moskitos an jedem Millimeter nackter Haut.
    Um fünf hatten wir schließlich eine ziemlich gute Vorstellung von dem, was wir vor uns hatten.
    Ein großer Müllsack war in ein flaches Grab gelegt und dann mit einer Schicht aus Erde und Laub bedeckt worden. An der Oberfläche hatten Wind und Erosion ihr Werk verrichtet und eine Ecke des Sacks aufgedeckt. Boyd hatte für den Rest gesorgt.
    Unter dem ersten Sack fanden wir einen zweiten. Abgesehen von den Rissen und Löchern, die bereits vorhanden waren, ließen wir beide unversehrt, doch der Geruch, der ihnen entstieg, war unmissverständlich. Es war der süße, faulige Gestank verwesenden Fleisches.
    Die Tatsache, dass sich allem Anschein nach keine Überreste aus ihrer Verpackung gelöst hatten, beschleunigte die Bergung. Um sechs hatten wir die Plastikbeutel herausgehoben, sie in Leichensäcke gesteckt und diese in den Transporter des ME gelegt. Nachdem Großmutterbrille, ihr Partner und ich Hawkins versichert hatten, dass wir auch so zurechtkommen würden, machte der sich auf den Weg zum Leichenschauhaus.
    Eine Stunde lang siebten wir die Erde in und neben dem Loch, fanden aber keine weiteren Indizien.
    Um halb acht hatten wir den Transporter wieder beladen und fuhren in die Stadt zurück.
    Um neun stand ich unter meiner Dusche. Ich war erschöpft, entmutigt und wünschte mir, ich hätte einen anderen Beruf gewählt.
    Gerade als ich dachte, ich hätte mein Leben einigermaßen im Griff, drängten sich zwei Hundert-Liter-Müllsäcke hinein.
    Verdammt!
    Und ein fünfunddreißig Kilo schwerer Chow-Chow.
    Verdammt!
    Ich wusch mir zum dritten Mal die Haare und dachte an den nächsten Tag und meinen Besucher. Konnte ich mit den beiden Säcken fertig sein, bevor ich ihn an der Gepäckausgabe abholte?
    Ich stellte mir das Gesicht vor, und in meinem Bauch kribbelte es.
    O Mann.
    War dieses kleine Rendezvous wirklich eine so tolle Idee? Ich hatte den Kerl nicht mehr gesehen, seit wir in Guatemala zusammengearbeitet hatten. Guter Plan, so ein Urlaub, hatte ich damals gedacht. Wir hatten beide unter großem Druck gestanden. Der Ort. Die Umstände. Die Traurigkeit, die so viele Tote mit sich brachten.
    Ich spülte die Haare.
    Der Urlaub, der nie stattfand. Der Fall war abgeschlossen. Wir waren schon unterwegs. Doch noch bevor wir den La Aurora International erreichten, hatte sein

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