Mit Haut und Haar: 6. Fall mit Tempe Brennan
Vielleicht hatte ich auch einfach nur ein schlechtes Gewissen. Ich bin mir nicht sicher, warum ich es tat, aber ich schaute in der Notaufnahme vorbei und fragte, ob sie irgendwas für eine toxikologische Untersuchung hätten. Natürlich hatten sie ihm Blut abgenommen und die Probe aufbewahrt.«
Woolsey hielt inne, während die Kellnerin Calvin Kaffee nachgoss.
»Die Tests deuteten darauf hin, dass Snow große Mengen Ephedrin in seinem Kreislauf hatte.«
Ich wartete.
»Murray litt an Allergien. Ich meine, er litt wirklich. Aber er war ein Arzt mit Herzbeschwerden. Der Mann hätte Ephedrin nie angerührt. Einmal hab ich versucht, ihn zu einem rezeptfreien Nasenspray zu überreden. Er weigerte sich strikt.«
»Ephedrin ist schlecht für Leute mit schwachem Herzen?«
Woolsey nickte. »Bluthochdruck, Angina pectoris, Schilddrüsenprobleme, Herzkrankheiten. Murray wusste das.«
Sie beugte sich zu mir und senkte die Stimme.
»Murray untersuchte etwas, kurz bevor er starb.«
»Was?«
»Das weiß ich nicht. Einmal hat er davon angefangen, dann plötzlich aufgehört und nie mehr darüber gesprochen. Zwei Monate später war er tot.«
Etwas, das ich nicht deuten konnte, huschte über ihr Gesicht.
»Ich glaube, es hatte mit diesem kopflosen Skelett zu tun.«
»Warum haben Sie keine Ermittlung eingeleitet?«
»Habe ich ja versucht. Aber niemand nahm mich ernst. Jeder hatte erwartet, dass Murray jung an einer Herzattacke sterben würde. Und genau das tat er auch. Kein Mysterium. Ende der Geschichte.«
»Das Ephedrin?«
»Über seine Allergien wusste auch jeder Bescheid. Der Sheriff wollte nichts von einer Verschwörungstheorie hören.«
»So hat er das genannt?«
»Er meinte, als Nächstes würde ich über Lee Harvey Oswald und den zweiten Schützen reden.«
Bevor ich etwas sagen konnte, trillerte mein Handy. Ich sah mir die Nummer auf dem Display an.
»Es ist Detective Slidell.«
Woolsey schnappte sich die Rechnungen, die unter unseren Tellern klemmten.
»Ich übernehme das, und wir treffen uns dann draußen.«
»Danke.«
Während ich mich in Woolseys Rücken durch die Tische schlängelte, schaltete ich ein.
»Sind Sie das, Doc?« Ich konnte Slidell kaum hören.
»Moment mal.«
Woolsey stellte sich an der Kasse an. Ich trat auf den Parkplatz hinaus. Der Morgen war heiß und atemlos, die Wolken dünne Schleier vor einem strahlend blauen Himmel.
»Sind Sie das, Doc?«, wiederholte Slidell.
»Ja.« Hatte er Oprah Winfrey an meinem Handy erwartet?
»Rinaldi hatte gestern einen ziemlich guten Tag.«
»Ich höre.«
»Hat sich richtig reingehängt in den Bärendienst. Kapiert? Bärendienst.«
»Kapiert.«
»Offenbar hat Jason Jack Wyatt, unser geheimnisvoller Passagier, ziemlich viel Zeit mit Jagen und Fallenstellen verbracht. Seine Oma drüben in Sneedville stellt ihn noch über den Crocodile Hunter. Aber jetzt hören Sie sich das an. J.J.s Spezialität waren Bären. Irgendein Großstadtfuzzi hat ’ne Woche in Wilderness Quest gebucht, einen Riesen gezahlt, und J.J. hat ihm einen Bären für seine Trophäenwand besorgt.«
Ein Auto hielt an, und ein schwarzes Paar stieg aus. Die Frau trug einen engen roten Minirock, eine pinkfarbene Bluse, eine schwarze Strumpfhose und Stilettos. Fleisch quoll aus jeder Lücke, die ihre Kleidung ließ. Der Mann hatte sehr muskulöse Arme und Beine, aber auch einen Bauch, der von einer Vorliebe für Rückenspeck und Maisfladen zeugte.
Während Slidell redete, sah ich zu, wie das Paar das Cup betrat.
»Natürlich nichts Illegales«, sagte ich.
»Natürlich nicht. Und der andere Junge aus Sneedville hätte Präsident der Handelskammer sein können, wenn der Herr ihn nicht so früh zu sich gerufen hätte.«
»Ricky Don.«
»Der Donald Tramp von Sneedville.«
»Die Großmutter hat zugegeben, dass die beiden sich kannten?«
»Ricky Don hat seinem talentierten, aber weniger vom Glück verfolgten Cousin Saisonarbeit im Wilderness Quest Jagdcamp verschafft. Und hat ihn auch hin und wieder losgeschickt.«
»Losgeschickt?«
»Wie’s aussieht, erforderten JJ.s Jobs enorme Reisespesen.«
»Ricky Dons Flugzeug.«
»Und lange Autofahrten.«
»Glauben Sie, dass Wyatt für Ricky Don Drogen transportiert hat?«
»Könnte das Koks erklären, das wir in seiner Hütte gefunden haben.«
»Im Ernst?«
»Würde ich Sie je auf den Arm nehmen?«
»Hat Rinaldi einen Durchsuchungsbefehl bekommen?«
»Hätte er natürlich. Aber Oma hat darauf bestanden, persönlich nachzusehen,
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