Mit Haut und Haar: 6. Fall mit Tempe Brennan
hoch.
»Haben wir dich irgendwie beleidigt, Darryl?«
Slidell schaute zu seinem Partner.
»Eddie, meinst du, wir haben Darryl beleidigt? Oder meinst du, Mister Harter Bursche hat ein Geheimnis, das er uns nicht anvertrauen will?«
»Wir alle haben unsere Leiche im Keller«, ließ Rinaldi verlauten.
»Ja. Aber Darryls war eine ganz winzige, und sie lag in einem großen, bösen Holzofen.« An Tyree gerichtet.
»Ich hab Tamela nix getan.«
»Was ist mit dem Baby passiert?«
»War halt einfach tot.«
»Und der Holzofen hat sich als rührende Gedenkstätte angeboten?«
Noch ein Tritt mit der Ferse.
»Mann. Was soll das hier?«
»Tut uns wirklich Leid, Darryl. Wir sind uns natürlich bewusst, dass dieser kleine Rückschlag deine Ernennung zum Oberpfadfinder verzögern könnte.«
Tyree trat von einem Fuß auf den anderen.
»Vielleicht hab ich ein bisschen was am Laufen. Aber das heißt nicht, dass ich was über Tamela weiß.«
»Ein bisschen? Wir haben dich eben mit genug Koks und Ex erwischt, um meine drei Neffen nach Harvard zu schicken.«
Slidell machte zwei Schritte vorwärts und schob sein Gesicht dicht vor Tyrees.
»Du wirst ganz schön auf die Schnauze fallen, Tyree.«
Tyree versuchte zurückzuweichen, aber der Chevy hielt ihn auf Camel-Atemabstand zu Slidell. »Weißt du, wie lange es Babymörder im Knast machen?«
Tyree wandte sein Gesicht so weit ab, wie sein Hals es erlaubte.
»Ich würde sagen, so ungefähr drei Monate.« Und über die Schulter zu Rinaldi: »Kommt das ungefähr hin, Eddie?«
»Ja. Vielleicht vier, wenn man ein harter Bursche ist.«
»Wie Darryl.«
»Wie Darryl.«
Ich hielt es nicht länger aus. »Bitte«, sagte ich. »Wissen Sie, wo Tamela ist?«
Tyree legte den Kopf schief und schaute über Slidells Schulter.
Einen Augenblick lang trafen sich unsere Blicke. Es war nur eine Sekunde, aber es reichte. Ich fühlte mich, als würde ich in den finsteren Abgrund zur Hölle sehen.
Wortlos wandte Tyree sich wieder ab.
»Bitte«, sagte ich zu seinem Profil. »Noch können Sie sich selbst helfen.«
Schnaubend wechselte Tyree das Standbein und zuckte verächtlich die Achseln.
Wieder beschlich mich ein schrecklicher Gedanke. Tamela und ihre Familie sind tot. Und dieser Mann weiß es.
Dieser Mann weiß eine ganze Menge.
Während ich zusah, wie Tyree abgeführt wurde, überkam mich kalte Übelkeit.
Tim Larabees Tür im MCME stand offen. Ich vermutete, dass er auf mich gewartet hatte. Als ich vorbeiging, rief er mir zu.
»Ich habe gehört, Sie wollen sich für einen Auftritt bei NYPD Blue bewerben.«
Ich betrat sein Büro.
»Es heißt, Sie wollten Tyrees Körperöffnungen untersuchen. Slidell musste Sie davon abhalten.«
»Slidell war nicht in der Form, um irgendjemanden von irgendwas abzuhalten. Ich dachte schon, ich musste ihn Mund zu Mund beatmen.«
»Hat Tyree Ihnen was Nützliches verraten?«
»Er ist so unschuldig wie die heilige Bernadette.«
»War das das Mädchen, das in Lourdes die Jungfrau Maria gesehen hat?«
Ich nickte.
»Netter Vergleich.«
»Ich wurde von Nonnen erzogen.«
»So was prägt fürs Leben.«
Ich verdrehte die Augen.
»Und jetzt?«, fragte Larabee.
»Sobald die erkennungsdienstliche Behandlung abgeschlossen ist, wollen Rinaldi und Slidell diesen Tyree in die Mangel nehmen und ihn gegen Sonny Pounder ausspielen. Einer von beiden wird reden.«
»Ich setze auf Pounder.«
»Guter Tipp. Die Frage ist nur, wie viel Sonny weiß.«
Larabee machte ein Gesicht wie ein kleiner Junge, den ein Geheimnis schier zum Platzen bringt.
»Raten Sie mal, wen wir auf Lager haben.«
So umschrieb Larabee den Aufenthalt eines Verstorbenen im Leichenschauhaus. Auf Lager. »Ricky Don Dorton?«
»Schnee von gestern.« »Osama bin Laden?« »Viel besser.«
Ich wedelte ungeduldig mit den Fingern.
Der Name war der letzte, den ich erwartet hätte.
30
»Brian Aiker.«
Ich bekam dieses Gefühl im Magen, das man in der Achterbahn hat, kurz bevor man schreiend wieder nach unten saust. Eins meiner Kartenhäuser stürzte zusammen.
»Sind Sie sicher?«
»Die Leiche wurde in Aikers Auto gefunden. Jede Menge Identifikationsmerkmale an der Leiche. Glatte Übereinstimmung bei den Zahnbefunden.«
»Aber der Schädel, die Lancaster-Knochen …«, stammelte ich.
»Nicht Ihr Junge. Dass es nicht sein Schädel war, wissen Sie bereits. Jetzt hat sich herausgestellt, dass die Knochen auch nicht seine sind.«
»Wie? Wo?« Ich war zu verblüfft, um eine sinnvolle Frage zu
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