Mit Haut und Haar (German Edition)
als ihr geheiratet habt. Ich kann mich daran erinnern, wie glücklich er war, als Damian geboren wurde oder später Charlotte. Ich kann mich daran erinnern, wie stolz er war, als ihr dieses Haus gekauft habt und wie liebevoll er dich in den Arm genommen hat, als ihr mir das Haus damals vorgeführt habt. Daniel hat niemals ein schlechtes Wort über dich verloren. Nicht nur bei mir nicht, sondern auch sonst nirgends, denn das hätte ich bestimmt erzählt bekommen. Er hat immer vor dir und den Kindern gestanden wie eine Mauer. Ich als deine beste Freundin wusste immer, wenn er auf dich aufpasst und auf die Kinder, wird dir niemals was passieren. Er liebt dich, er liebt die Kinder.«
»Warum tut er dann so was?«
»Weil Männer einen Riesenschaden haben, Clarissa. Deswegen tun sie so was. Ich glaube wirklich dass es stimmt, was Wissenschaftler behaupten, die sind genetisch so veranlagt und unterliegen einem Zwang, ihre Gene möglichst weitreichend zu verbreiten, selbst wenn sie verhüten. Ich hätte schwören können, dass der einzige Mann, der diesen Schaden wahrscheinlich nicht hat, dein Daniel ist. Aber offensichtlich hat er ihn auch.«
Sie drückte ihre Zigarette im Aschenbecher aus und nahm einen weiteren Schluck Kaffee.
»Weißt du, ich glaube nicht, dass er das getan hat, weil er dich nicht mehr liebt. Wahrscheinlich fehlt es ihm gehörig an Selbstbewusstsein. Er ist älter geworden, er ist beruflich voll eingespannt. Vielleicht fehlte es ihm in seinem Leben an Abenteuer, oder anders herum, vielleicht musste er auf diese Art lernen, wie wichtig ihm sein eigentlich ruhiges Leben doch ist. Männer sehen manchmal nicht mehr, dass sie in ihrer Familie eigentlich ihren Ruhepol gefunden haben, dass es das ist, was ihnen die Kraft gibt, alles draußen zu überstehen. Dass es bei euch im Bett nicht mehr so gelaufen ist, hattest du ja schon mal angedeutet. Und dann kommt so eine rassige junge Frau daher und irgendwas setzt in ihrem Kopf aus. Vielleicht müssen sie sich einfach nur beweisen, dass sie es noch bringen, ich habe keine Ahnung. Aber ich habe so was schon oft beobachtet.«
Clarissa schüttelte den Kopf.
»Mir hat auch vieles gefehlt in unserer Ehe«, sagte sie. »Leidenschaft. Er hat mich überhaupt nicht mehr begehrt. Ich glaube, in der letzten Zeit war ich für ihn einfach nur da.«
»Ja, weil sich die Gewohnheit eingeschlichen hat, aber bei euch beiden. Du warst damit glücklich und zufrieden und ich denke, er wusste nicht was er davon halten sollte. Ich wette, wenn du jetzt zu ihm nach oben gehen würdest und ihm sagen würdest, dass du mit ihm schlafen möchtest, wäre er wieder der leidenschaftliche Daniel, den du mal geheiratet hast.«
»Ich kann nicht mit ihm schlafen, nicht nach dem was ich gesehen habe.«
»Kann ich verstehen«, sagte Anja. »Kann ich wirklich verstehen.«
Clarissa starrte aus dem Fenster.
»Trotzdem meinst du, es wäre falsch ihn zu verlassen?«
Anja nickte. »Ja.«
Clarissa sah ihre Freundin an, zuckte mit den Schultern und starrte wieder aus dem Fenster. »Du würdest daran zerbrechen, Clarissa.«
»Glaubst du?«
»Ja. Weil du ihn liebst. Weil du ihn gar nicht verlieren willst. Ich kenne dich. Ich weiß, dass er der Mittelpunkt deines Lebens ist. Ist auch kein Wunder, er ist nicht nur verdammt attraktiv, sondern auch noch witzig und charmant, intelligent und ziemlich erfolgreich. Er ist ein Traummann. Er war immer dein Traummann. Du zerbrichst doch schon alleine bei dem Gedanken, ohne ihn leben zu müssen.«
»Ja, aber ich zerbreche auch bei dem Gedanken, weiter mit ihm zu leben, nachdem er mir so was angetan hat.«
Sie kramte das nächste Taschentuch aus der Verpackung und wischte sich die Tränen aus den Augen. »Weißt du wie ich mich fühle?« flüsterte sie. Sie flüsterte nicht absichtlich. Sie fühlte sich so elend, dass sie die Worte kaum noch laut aussprechen konnte.
»Ich kann es mir denken«, sagte Anja. »Du denkst darüber nach, dass du viel älter bist, dass du deine Haare bereits färben musst, dass dein Körper nach zwei Schwangerschaften und mit vierzig Jahren für ihn vielleicht nicht mehr begehrenswert ist. Du denkst, er hat dich beschissen, weil du für ihn nur noch die Mutti seiner Kinder bist.«
Clarissa nickte und begann wieder heftig zu weinen.
»Du denkst falsch«, sagte Anja. Sie nahm Clarissa in den Arm. »Er hat dich nicht betrogen, weil er dich nicht mehr liebt. Er hat dich betrogen, weil er sich selbst aus den Augen verloren hat.
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