Mit Haut und Haar (German Edition)
Gehen. Clarissa schloss die Haustür und lehnte sich mit dem Rücken dagegen. Sie musste kurz durchatmen. Es tat ihr alles so leid. Patrizia tat ihr leid. Und sie fühlte sich schuldig, schuldig Daniel gegenüber, schuldig Patrizia gegenüber.
Daniel ging langsam und bedächtig wieder ins Wohnzimmer zurück und setzte sich zu den Freunden, die fast alle, bis auf Anja, überhaupt nicht bemerkt hatten, dass in der Küche etwas vorgefallen war. Etwas, was Daniel sehr gekränkt hatte und sowohl ihm, als auch Clarissa die Laune verdorben hatte. Clarissa zog sich für einen Moment ins Badezimmer zurück um sich wieder zu beruhigen. Die plötzliche, unerwartete Konfrontation mit Patrizia machte ihr sehr zu schaffen. Auch die Art und Weise wie Daniel sie behandelt hatte, tat ihr leid. Aber sie verfluchte sich selbst am allermeisten. Natürlich ging es Patrizia schlecht. Es musste sie eine unglaubliche Überwindung gekostet haben, an diesem Abend hier aufzutauchen. Sie liebte sie, das war Clarissa bewusst. Sie hatte irgendwann einmal damit gerechnet, dass sie Clarissa vielleicht eines Tages doch ganz für sich erobern konnte. Und sie hatte einsehen müssen, dass das nicht ging. Sie hatte verloren. Trotzdem war sie sich nicht zu schade dafür, bei ihr aufzutauchen, mit dem vollen Wissen, Clarissas Mann zu begegnen, ein glückliches Pärchen erleben zu müssen. Das hatte sie in Kauf genommen. Clarissa fühlte sich scheußlich, egoistisch, denn auf gewisse Weise hatte sie mit Patrizia gespielt. Sicher, Patrizia hatte sie verführt und nicht umgekehrt. Und sicher, sie hatte ihr nie etwas versprochen das sie nicht gehalten hatte, sie hatte ihr nie etwas vorgemacht. Aber letztlich hätte ihr klar sein müssen, dass es für Patrizia mehr war als pure Lustbefriedigung und Abenteuer und dass sie diese Frau verletzen würde durch die Art und Weise wie sie das Verhältnis beendet hatte. Patrizia erwartete wenigstens weiter bestehende Freundschaft von ihr und das konnte sie ihr nicht geben, weil es Daniel verletzen würde. Egal wie sie es drehte und wendete, einer der beiden würde sich immer verletzt fühlen und Clarissa hasste sich dafür, dass sie Patrizia so wehgetan hatte. Schließlich ging sie wieder nach unten und setzte sich zwischen ihre Freunde. Beide, sie und Daniel waren für den Rest des Abends eher ruhig, auch wenn sie trotzdem versuchten zu lachen und ihren Freunden gute Gastgeber zu sein. Anja beobachtete sie ständig aus den Augenwinkeln. Als gegen zwei Uhr alle bis auf Anja und Erik gegangen waren, begann Clarissa den Tisch abzuräumen und Anja eilte sofort herbei um ihr zu helfen.
»Was war das vorhin mit Patrizia in der Küche?« fragte sie.
»Das? Ach ... nichts weiter.«
»Hey«, sagte Anja. »Ich kenne dich viel zu gut, also, was war da los?«
»Sie wollte sich verabschieden.« Clarissa räumte die Spülmaschine ein.
»Soso. Und warum hat sie sich nicht zu uns gesetzt und mitgefeiert? Und warum habt ihr hinterher beide so bedrückt ausgesehen, du und Daniel? Und überhaupt, es wundert mich, dass Patrizia offensichtlich nicht mal eingeladen war! Ihr habt doch nun monatelang unheimlich viel Zeit miteinander verbracht.«
Clarissa setzte sich auf den Stuhl auf dem Patrizia vor wenigen Stunden noch gesessen hatte.
»Weil ... ach Anja, warum soll ich dich anlügen, ich hatte was mit Patrizia.«
»Du hattest ...?« Anja lachte, sie hielt sich den Bauch vor Lachen und schließlich hörte sie plötzlich auf und sagte: »Verarsch mich nicht.«
»Tu ich nicht. Ich hatte was mit ihr.«
»Ach du Scheiße«, sagte Anja. »Ich wusste, dass Patrizia lesbisch ist, sie macht da ja keinen Hehl draus.«
»Nein, wohl nicht.«
»Aber Clarissa, du?«
»Ja, ich! Ich hab mich hinreißen lassen.«
»Soso.« Anja seufzte. »Das muss ich jetzt erst mal wegstecken. Wenn es dir recht ist, komme ich morgen Nachmittag noch mal vorbei, da können wir reden. Seitensprung mit Patrizia, tsss ...unglaublich!« Sie schüttelte den Kopf.
»Es war kein einmaliger Seitensprung, ich hatte etwas mehr als drei Monate lang ein Verhältnis mit ihr.«
Anja starrte sie ungläubig an. »Okay. Ich fahre jetzt nach Hause, ich muss das ehrlich erst mal verarbeiten. Es ist auch schon spät und ich hab was getrunken. Ich glaube, ich bin heute kein guter Gesprächspartner mehr.«
Sie lief in den Flur und griff nach ihrem Mantel.
»Erik!« rief sie. Der eilte sofort dankbar herbei. Er hatte neben einem äußerst schweigsamen Daniel auf dem Sofa
Weitere Kostenlose Bücher