Mit Haut und Haar (German Edition)
das neue Leben in Köln als etwas einsam. Die Kinder hatten ja schnell Anschluss gefunden, aber sie? Sie war beschäftigt mit ihrer Familie, mit dem Einrichten des Hauses und so wirklich gelang es ihr nicht, Kontakte zu knüpfen. Sie hatte inzwischen sämtliche Nachbarn kennen gelernt, man grüßte sich freundlich, hielt aber ansonsten Distanz. Das lag vor allem auch an Clarissas Art, denn zu nahen Kontakt mit Nachbarn mochte sie nicht. Elternabende hatten bisher nur zweimal stattgefunden, einmal in Charlottes Klasse und einmal in Damians Klasse und auch da hatte sie keinen Anschluss gefunden. Die Eltern kannten sich alle schon über längere Jahre untereinander und sie verhielten sich zwar freundlich, aber waren offensichtlich auch nicht näher an Kontakten interessiert. Clarissa war ein sehr kontaktfreudiger Mensch, aber sie fand einfach keinen Zugang in diese eingeschworenen, kleinen Gemeinden, mit denen sie es so zu tun hatte. Ihre einzigen Gesprächspartner außerhalb ihrer Familie waren meist die Kassiererinnen in den Supermärkten. Und sicher, sie hielt ihre Freundschaften hoch, aber letztlich waren ihre Freunde in Frankfurt zurückgeblieben und man konnte sich nur selten sehen. Anja hatte sie im Frühjahr mal über das Wochenende besucht, aber es war nicht wie früher. Früher hatte man sich spontan treffen können, früher hatte man einfach mal spontan etwas miteinander unternommen, Spaziergänge, Shopping-Tage in der Innenstadt oder einfach nur eine Tasse Kaffee in der Eisdiele. Jetzt war Anja weit weg, sie war beruflich sehr eingespannt und ein Treffen mit ihr bedeutete eine Menge Planung und Vorbereitung. An diesem Nachmittag hätte Clarissa gerne eine beste Freundin gehabt, mit der sie die Sache besprechen konnte. Sie telefonierte häufig mit Anja, aber das war irgendwie nicht dasselbe.
Daniel kam an diesem Tag für seine Verhältnisse früh nach Hause, es war gerade sechs Uhr. Clarissa begrüßte ihn und versuchte dabei, möglichst gemäßigt auf ihn zuzugehen, denn ihr Innerstes war zutiefst aufgewühlt. Schließlich, als er zu Abend gegessen hatte, legte sie ihm den Brief vor. Stirnrunzelnd las er den Inhalt, wurde blass und legte den Brief beiseite. Aber er sah ihr direkt in die Augen und das gab Clarissa ein gutes Gefühl bei der ganzen Sache. Daniel konnte nicht lügen, jedenfalls konnte er nicht lügen und ihr dabei ins Gesicht sehen.
»Liebling, ich habe keine Ahnung ...«, sagte er. »Ich verstehe das nicht.«
»Wirklich nicht? Es ist nicht so dass du irgendwo was laufen hast?«
Daniel sah sie erstaunt an. »Clarissa, ich weiß nicht wie du darauf kommst. Sicher, ich hab mal eine Menge Mist gebaut, aber bedeutet das jetzt für dich, dass du mir nicht mehr vertraust? Ich habe nichts laufen, wirklich nicht. Wann denn auch? Ich hatte bisher keine Geschäftsreisen, bin den ganzen Tag im Büro ... du hast einen Überblick über meine gesamte Zeit, über das was ich mache und mit wem ich zusammen bin.«
»Kann es sein, dass in deiner Firma irgendwo eine Kollegin rumläuft, die ein Auge auf dich geworfen hat?«
»Auf mich?« fragte Daniel.
»Ja, auf dich. Vorstellbar wäre es. Du bist ein attraktiver Mann und du stehst auch nicht schlecht da. Nett bist du auch. Mir würdest du auch gefallen, wenn ich dir im Büro begegnen würde.«
»Meinst du nicht, ich würde es merken, wenn da eine wäre die sich für mich interessiert?«
Clarissa zuckte mit den Schultern. »Keine Ahnung, Daniel. Wenn sie dich lieber aus der Ferne anhimmelt, vielleicht nicht.«
Daniel atmete tief ein.
»Hör zu, ich habe kein Verhältnis, ich hab auch sonst keinen Mist gebaut. Ich weiß nicht was das soll mit diesem anonymen Brief und ich habe auch keine Ahnung woher der stammen könnte oder wer ihn geschickt haben könnte. Ich habe ein reines Gewissen, mehr kann ich dir dazu nicht sagen! Und die Damen in der Firma hast du kennen gelernt. Würde dir auch nur eine einzige einfallen, die du verdächtigen könntest, so was zu tun?«
»Nicht wirklich«, sagte Clarissa, und sie erinnerte sich an den netten Abend in Daniels Firma, den sie hauptsächlich mit Manuela, der Vertriebssachbearbeiterin verbracht hatte.
»Was ist mit deinem Eisblock?«, fragte sie.
»Mein Eisblock schafft es inzwischen, in der Mittagspause ab und zu nett mit den Kollegen zusammen zu sitzen. Sie musste sich einfach nur einleben. Mir gegenüber ist sie höflich und distanziert.«
»Dann haken wir das jetzt erst mal ab. Aber versprich mir dass du die
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