Mit Haut und Haar (German Edition)
verstehen kann, solche Angelegenheiten sind sehr unangenehm. Aber verstehen Sie bitte auch, dass uns die Hände gebunden sind.«
»Und was erwarten Sie jetzt von mir? Ich soll nach Hause gehen und einfach abwarten dass der Spuk aufhört?«
»Ja. Genau das.«
»Nein, ich möchte eine Anzeige gegen Unbekannt aufgeben.«
»Gut, die kann ich aufnehmen, aber es wird nicht viel bringen.«
»Das ist mir egal«, sagte Clarissa. »Wer weiß was da noch kommt, ich habe einfach Bedenken dass es weitergeht, verstehen Sie? Ich möchte, dass die Sache dokumentiert ist.«
»Natürlich verstehe ich das und es ist ja auch eine unangenehme Sache. Mal eine andere Frage, haben Sie in Ihrem Bekanntenkreis irgendwelche verdächtigen Personen? Ich meine, fällt Ihnen konkret eine Person ein, der Sie solche Schmierereien zutrauen würden?«
Clarissa schüttelte den Kopf. »Nein.«
»Und Ihr Mann?« Er las den Inhalt der beiden Briefe noch einmal durch. »Also wenn Sie mich fragen, mir sieht es nach einer Frau aus. Männer machen so was in der Regel nicht. Anonyme Briefe sind meistens typische Frauengeschichten. Ohne sexistisch klingen zu wollen ...und Ausnahmen bestätigen natürlich die Regel.«
»Ja, so sehe ich das auch.«
»Gibt es eine Dame die es auf Ihren Mann abgesehen hat?«
»Nein«, sagte Clarissa. »Sagt er zumindest. Allerdings merken Männer so was ja oft nicht, es sei denn sie werden ganz offen angehimmelt und vor allem von einer Frau die ihnen auch selbst gefällt.«
Meierhofer lachte. »Ja, so was soll es geben.« Er überlegte. »Also gut, da Sie drauf bestehen ... wir machen einen Kompromiss. Ich lege eine Akte an und mache entsprechende Notizen. Sie überlassen uns die Briefe im Original und wenn Sie es möchten, bekommen Sie Kopien davon.«
»Brauche ich nicht«, sagte Clarissa.
»Gut. Sollte noch mal was vorkommen, überlegen wir uns das mit der Anzeige noch mal. Sie melden sich, in Ordnung?« Er überlegte. »Schauen Sie, meine ganz persönliche Meinung ist, dass überhaupt nichts passieren wird. Es muss auch überhaupt nicht sein, dass es hier darum geht, dass eine Frau es auf Ihren Mann abgesehen hat oder ein Mann es auf Sie abgesehen hat. Anonyme Briefe sind feige und diese Feigheit geht soweit, dass sie in der Regel auch nicht das Problem aufzeigen, das den Schmierfink eigentlich dazu veranlasst, so was zu schreiben. Vielleicht ist irgendwo in Deutschland jemand ganz einfach nur fürchterlich wütend auf Sie, auf Ihren Mann oder auf Sie beide. Jemand, der Ihnen einfach eins auswischen will, Ihnen Angst machen will. Rache, Zorn, was weiß ich. Meist stellt sich heraus, dass die Motive, die so jemanden antreiben, völlig anders gelagert sind als man erst mal annimmt.«
»Für mich ist der Inhalt eindeutig. «
»Und das ist er nicht. Rein inhaltlich sollen Sie vielleicht auch einfach nur auf eine völlig falsche Fährte geführt werden. Nur Sie können wissen, wer Grund hat, auf Sie wütend zu sein. Wenn Ihr Briefeschreiber einigermaßen intelligent ist, wird er – oder sie – ganz sicher drauf achten, dass der Inhalt Ihnen Angst macht, aber keinen Verdacht zulässt.«
Das klang logisch. Trotzdem verließ Clarissa das Revier ein paar Minuten später mit einem Gefühl der tiefen Enttäuschung im Bauch. Natürlich hatte sie Hilfe erwartet, aber im Nachhinein schalt sie sich für ihre Erwartungshaltung ein Dummchen. Es war nichts passiert, es gab lediglich zwei anonyme Briefe. Viele Menschen hatten im Lauf ihres Lebens in irgendeiner Form mit anonymen Briefen zu tun. Wie hatte sie erwarten können, dass jetzt gleich ein ganzes Polizeirevier deswegen Kopf stand?
-27-
Der August ging vorbei und Clarissa hatte die beiden Briefe schon fast wieder vergessen, denn seit vier Wochen hatte es keine Post mehr in der Art gegeben. Sie hatte viel zu tun, hatte einige neue Bilder fertig gestellt und sie Patrizia per Post zugeschickt. Patrizia hielt sich seit dem letzten Telefonat dezent im Hintergrund und nur ab und zu schrieb sie ihr eine E-Mail privaten Inhalts und fragte nach Clarissas Befinden. Clarissa beantwortete diese Mails, anfangs eher zaghaft, aber mit der Zeit gab sie Patrizia gegenüber doch wieder mehr über sich preis, erzählte von ihrem Leben in Köln, von den Kindern und wie sie sich in der neuen Stadt entwickelten. Sie schrieb Patrizia von Daniels Job, von ihrem Haus, von Sparky, dem Retriever, der sie ganz schön auf Trab hielt mit seinem unbändigen Temperament. Er war inzwischen sieben
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