Mit Haut und Haar (German Edition)
die sie so gerne geküsst hatte, diese Lockenpracht, die sie so gerne auf ihrer nackten Haut gespürt hatte, stieg Wehmut in ihr auf. In solchen Momenten empfand sie es als sehr schwer, sich davon nicht leiten zu lassen, sich neu zu motivieren und in der Regel stürzte sie sich in solchen Phasen auf ihre Arbeit in Haus und Garten.
Eines Morgens im Juli ging Clarissa wie jeden Tag an den Briefkasten, sortierte seufzend die ganzen Rechnungen auf einen Stapel, den sie Daniel am Abend geben würde, denn all diese Dinge regelte er selbst. Natürlich hatte sie eine EC-Karte und Kontovollmachten, aber alle Zahlungen regelte grundsätzlich er. Sie stutzte, als sie einen rechteckigen Umschlag in der Hand hielt der mit Schreibmaschine beschriftet war. Kein Mensch schrieb mehr mit einer Schreibmaschine. Schon das war auffällig. Und der Brief war an sie adressiert. Neugierig riss sie ihn auf und faltete das Blatt auseinander. Sie erschrak, las mehrmals den Inhalt und musste sich erst mal setzen. Sie hatte das Gefühl, ihre Knie würden ihren Dienst versagen, sie zitterte innerlich und rang nach Luft. Erst als sie sich wieder einigermaßen im Griff hatte, nahm sie den Brief erneut zur Hand und las ihn ein weiteres Mal.
»Du hast ihn nicht für dich alleine. Was denkst du was er hinter deinem Rücken treibt? Trenn dich von ihm!«
Clarissa faltete den Brief nervös wieder zusammen und beschloss, Daniel am Abend sofort damit zu konfrontieren. Ihr Magen rebellierte und sie fühlte, dass sie innerlich zitterte. Sie rauchte nervös mehrere Zigaretten hintereinander und gegen ein Uhr mittags beschloss sie, Patrizia anzurufen. Es gab nur zwei Möglichkeiten. Entweder Daniel hatte tatsächlich eine andere, betrog sie, wie er es schon einmal getan hatte und irgendwer wollte sie warnen. Oder – Patrizia. Vielleicht war Patrizias ruhiges Verhalten seit ihrem Umzug trügerisch. Vielleicht steckte sie dahinter. Vielleicht versuchte sie auf diese Art, sie zurückzugewinnen, sich zwischen sie und Daniel zu stellen. Hatte sie ihr nicht bei der Trennung angedroht, sie würde ihre Entscheidung noch bereuen? Clarissa atmete tief durch, während sie Patrizias Nummer wählte. Sie ging nicht ans Telefon, weder zu Hause noch in der Galerie. Also wählte Clarissa ihre Handynummer und dort meldete sie sich auch sofort.
»Hallo Süße!« sagte sie. Sie klang wirklich überrascht und erfreut. »Was verschafft mir die Ehre? Du hast doch nicht etwa Sehnsucht nach mir?«
Der letzte Satz klang ein wenig sarkastisch, aber das war Patrizias Art mit den Dingen umzugehen.
Clarissa atmete tief ein.
»Nein. Ich meine ... Patrizia ... es ist schwer zu erklären.«
»Versuch es doch einfach.«
»Patrizia, ich hab einen anonymen Brief bekommen.«
»Einen anonymen Brief? Erzähl!«
Clarissa las ihr den Inhalt vor. Patrizia schwieg. Clarissa grübelte über der Frage, ob sie nun aus Betroffenheit schwieg oder aus einem schlechten Gewissen heraus.
»Hast du mal auf den Poststempel geguckt, wo der Brief abgestempelt wurde?« fragte Patrizia schließlich. Nein, auf diese Idee war Clarissa noch nicht gekommen. Sie drehte den Umschlag herum.
»Bonn«, las sie vor. »Gestern abgeschickt.«
»Aha«, sagte Patrizia.
Wieder schwieg sie für einen Moment.
»Und du rufst mich jetzt an weil du wissen möchtest, ob ich dahinter stecke?« fragte sie schließlich. Clarissa fühlte wie sie rot wurde, auch wenn es Blödsinn war. Patrizia konnte sie nicht sehen. Aber sie wusste, mit einem solchen Verdacht würde sie Patrizia sehr verletzen, vorausgesetzt sie steckte wirklich nicht dahinter. »Ich denke ... ich weiß es nicht, Patrizia. Ich weiß nicht was ich denken soll. Steckst du dahinter?«
»Nein«, sagte Patrizia kühl. »So etwas ist nicht mein Stil und du solltest das eigentlich wissen.«
Ja, das sollte sie eigentlich wissen. Andererseits, woher? Sie hatte mit ihr ein paar wunderschöne Monate verbracht, aber was wusste sie wirklich von Patrizia? Nicht viel ...
»Es tut mir leid, wenn du dich jetzt verletzt fühlst«, sagte Clarissa.
»Warum?« antwortete Patrizia. »Ich finde es nicht angenehm, dass du mir solch feige Aktionen zutraust. Aber andererseits kann ich verstehen, dass du darüber grübelst von wem so etwas stammen könnte und vor allem warum.«
»Wenn der Brief nicht von dir ist, dann stammt er von irgendwem. Und das könnte so ziemlich jeder sein. Angefangen bei neidischen Nachbarn, es könnten irgendwelche Kinder sein, die sich einen Scherz
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