Mit Herz und High Heels - Clark, B: Mit Herz und High Heels - The Overnight Socialite
einen Schritt auf die Rolltreppe, die in die Eingeweide der Port Authority führte, der Hafenbehörde von New York. Die ganze Stadt hatte sie schon durchkämmt auf der verzweifelten Suche nach Rita, die einfach nicht ans Telefon ging – war von den Kellerkneipen, die ihre Mutter mal beiläufig erwähnt hatte, bis zu ihrem Apartment in Murray Hill gelaufen, eine deprimierende Rundreise zu den Stationen ihres früheren Lebens, zu dem sie nur zu bald wieder zurückkehren würde. Mittlerweile waren ihre Füße wund, aber alles vergeblich. Dann musste sie daran denken, wie gekränkt Rita sie angesehen hatte, also machte sie sich auf den Weg ans andere Ende der Stadt, vorbei an der grellen Neonreklame auf dem Times Square, zum Busbahnhof.
Und tatsächlich, da war Rita. Sie saß auf einer Bank vor dem Bildschirm, auf dem die Abfahrtszeiten der Greyhound-Busse angezeigt wurden, flankiert von einem Obdachlosen und einer griesgrämigen älteren Frau mit kurzer, hochgegelter Igelfrisur. Die Wimpertusche war Rita über die Wangen gelaufen, weshalb sie aussah wie eine Mischung aus Alice Cooper und Peggy Bundy, und sie trug immer noch das Minikleid mit den Pailletten. Dazu trank sie irgendwas aus einer braunen Papiertüte – vermutlich einen Alkopop, so wie sie
ihre Mutter kannte. Obwohl sie aussah wie eine alternde Bordsteinschwalbe hatte sie etwas Unschuldiges an sich, wie ein kleines Kind, das auf den Schulbus wartet, und Lucy schmolz das Herz, als sie Rita so da sitzen sah.
»Was machst du denn hier?«, fragte Rita, die aufschaute, als Lucy auf sie zulief.
»Wurde aber auch langsam Zeit«, brummte die Frau neben ihr mit starkem bulgarischem Akzent, und der Mann nickte nur. Rita hatte ihren beiden neuen Bekannten offensichtlich brühwarm erzählt, wie unmöglich ihre Tochter sich aufgeführt hatte.
»Rita, es tut mir leid. So hätte ich dich nicht behandeln dürfen.«
»Warum bist du denn nicht bei der Party? Ist was passiert? Du bist ja völlig durch den Wind!«
Machte Rita sich etwa mehr Gedanken darum, was ich durchmache, als um ihre eigenen Probleme? Hörte sich ganz danach an. »Es war eine Katastrophe«, gab sie zu, und erzählte ihrer Mutter von Cornelias Rachefeldzug.
»Vielleicht ist es den Leuten egal?«, meinte Rita. Aber so naiv, das anzunehmen, war Lucy nicht. Nach dem Artikel im Townhouse hätte sie den Ruf als Hochstaplerin weg, den sie unmöglich je wieder abschütteln könnte. Die Einladungen würden ausbleiben. Niemand würde sie mehr einstellen; niemand würde mit den Klatschspalten in Verbindung gebracht und sich mit einer stadtbekannten Schwindlerin sehen lassen wollen. Wyatt eingeschlossen, dachte Lucy traurig. Sie wusste, er war zu sehr Gentleman, um sie in dieser Notlage einfach im Stich zu lassen, aber sobald die raue Wirklichkeit sie einholte – und sein Name überall in der Klatschpresse in den Schmutz gezogen wurde -, würde er sie bald als unliebsamen Klotz am Bein betrachten, der einem Kopfschmerzen
bereitete, mehr nicht. Das alles erzählte sie ihrer Mutter in einer gerafften Kurzfassung.
»Das ist alles meine Schuld!« Rita verbarg das Gesicht in den Händen und unterdrückte mühsam ein Schluchzen. Die Obdachlose tätschelte ihr den Rücken, als würden sie sich schon seit Jahren kennen. »Unglaublich, dass ich diesem Mädchen vertraut habe. Ich weiß nicht, was ich mir dabei gedacht habe.« Sie schaute Lucy an, und heiße Tränen der Reue liefen ihr über beide Wangen. »Ich habe dir alles kaputt gemacht, genau, wie du befürchtet hast. Du hast allen Grund, mich zu hassen. Es tut mir so leid, Lucy Jo, ich – ich gehe zurück nach Dayville, damit ich dir nicht noch mehr zur Last falle.«
»Vielleicht komme ich gleich mit. Aber nicht heute Nacht.« Ritas aufrichtiger Kummer brach Lucy beinahe das Herz. Der Obdachlose bot ihr seinen Platz an, den sie dankend annahm. Dann nahm sie ihre Mutter fest in den Arm. »Das ist doch nicht deine Schuld. Ich hätte mich nicht dafür schämen sollen, wer ich bin und wo ich herkomme.«
Schniefend wischte Rita sich die Nase am Ärmel ihres Bolero-Jäckchens ab. »Nein, das hättest du wirklich nicht.« Ihre Stimme klang sanfter, als Lucy es je gehört hatte. »Ich habe das ganz ernst gemeint, als ich sagte, Lucy Jo Ellis hat wirklich Klasse; mehr als jeder andere Mensch, den ich kenne. Ich meine, dein ganzes Leben lang kümmerst du dich schon um mich, obwohl ich das«, unter Tränen holte sie mühsam Luft, »gar nicht verdient habe. Du hast hart
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