Mit Herz und High Heels - Clark, B: Mit Herz und High Heels - The Overnight Socialite
Namenspatin oder ihre Mutter belog sie nach Strich und Faden.
»Und dann kommt aus heiterem Himmel diese Operation
– tja, da musste ich das ganze Geld opfern, das ich für meine Prototypen gespart hatte.«
»Deine Prototypen?«
»Ich habe dir doch von meinen Acrylnägeln erzählt! Meiner Kunst am Nagel, Schätzchen! Ich habe einen Satz mit Brangelina und den Kids und einen mit der ganzen Besetzung von Dallas. Ich schicke dir mal eine Handvoll«, sie kicherte über ihren schlechten Wortwitz, »sobald sie fertig sind. Dann kommen wir zwei sicher schnell ins Geschäft.«
»Wir zwei?« Lucy Jo müsste schon in den Müllcontainern hinter irgendwelchen Restaurants nach Essen suchen, ehe sie mit ihrer Mutter Geschäfte machte. Wobei Rita es allerdings, all ihren Fehlern zum Trotz, in Lucy Jos Kindheit ganz allein geschafft hatte, dass sie beide ein Dach über dem Kopf hatten. Ihren Vater hatte Lucy Jo nie kennengelernt, da Rita ihn nicht einmal bei einer Gegenüberstellung zweifelsfrei hätte identifizieren können. »Wie viel brauchst du?«, fragte Lucy Jo, der bei der Aussicht, ihr ohnehin mageres Sparbuch noch weiter zu plündern, ein bisschen flau wurde.
»Zweihundert sollten reichen, Liebes.«
Womit Lucy Jo noch genau einhundert Dollar zum Leben blieben. Bis sie wieder einen Job hatte, würde sie dann wohl eine Suppendiät machen, weil sie ja auch noch ein bisschen Geld brauchte, um Bewerbungen und Lebensläufe auszudrucken, ihre Handyrechnung zu bezahlen … So Gott wollte, würde sie irgendwas auftun, ehe die Miete fällig war.
»Wären hundertfünfzig auch in Ordnung?«, fragte Lucy Jo zaghaft und biss sich auf die Unterlippe. Kurz überlegte sie sogar, ihrer Mutter zu erzählen, dass sie gefeuert worden war, aber dann würde Rita sie bloß überreden wollen, wieder nach Dayville zurückzukommen. Das konnte sie gerade gar nicht brauchen.
»Ich will ganz ehrlich sein«, entgegnete Rita. »Zweihundert würden mir wesentlich mehr helfen.«
Lucy Jo seufzte. »Ich schicke es dir gleich morgen früh.«
»Braves Mädchen. Am besten schickst du den Scheck per Übernacht-Express, wenn’s keine Umstände macht.«
11.59 Uhr … Mitternacht.
Wie sie so dalag und an die Decke starrte, überlegte Lucy Jo, eine Liste zu machen mit allem, was noch schlimmer sein könnte. Die Nachwirkungen ihrer öffentlichen Blamage bei Nolas Show waren wesentlich glimpflicher ausgefallen als erwartet. Ein paar Fotos – auf denen allerdings, o Wunder, ihr Gesicht nirgends ganz zu erkennen war – waren in diversen Blogs aufgetaucht, aber bisher war sie unerkannt geblieben. Selbst das Nachspiel mit Nola Sinclair war zu ihrem Erstaunen eher undramatisch verlaufen – am nächsten Morgen hatte ein Bote einige wenige persönliche Dinge vorbeigebracht, die noch an ihrem Arbeitsplatz gewesen waren. Ein paar ihrer ehemaligen Kolleginnen hatten angerufen und sich nach ihr erkundigt: Ihre Freundin Doreen, eine alleinerziehende Mutter und versierte Schneiderin, hatte ihr sogar ein paar Kontaktadressen gegeben. Aber schon am zweiten Tag ihres Arbeitslosendaseins hatte das Telefon aufgehört zu klingeln.
In den letzten beiden Wochen war sie jeden Tag zwischen der FedEx-Annahmestelle, der Post und der öffentlichen Bibliothek mit kostenlosem Internetzugang hin und her gependelt – ein graues Bermudadreieck mit Neonbeleuchtung und missgelaunten Angestellten – und hatte versucht, irgendwo eine Arbeitsstelle aufzutun. Bisher hatte sich rein gar nichts ergeben. Es war die ungünstigste Zeit des ganzen Jahres, um auf Jobsuche zu gehen, wie ihr unablässig immer wieder klargemacht wurde. Und die prekäre Wirtschaftslage
tat ihr Übriges: Die meisten Firmen hatten einen Einstellungsstopp verhängt oder entließen sogar Mitarbeiter. Von Nola hatte sie natürlich keinen Penny Abfindung bekommen, und obwohl sie sich arbeitslos gemeldet hatte, war der erste Scheck – mit dem sie zumindest ihre Miete bezahlen könnte – bisher noch nicht eingetrudelt.
Die Uhr gab eine weitere Minute frei, die sie in Geiselhaft gehalten hatte. Vielleicht ist es ja einfach völlig irrwitzig zu glauben, ich könnte etwas aus mir machen. Lange konnte sie sich jedenfalls nicht mehr selbst was in die Tasche lügen. Vielleicht sollte ich ja einfach wieder nach Hause zu meiner Mutter ziehen und zusehen, dass ich es hinter mich bringe. Der Gedanke traf Lucy Jo wie ein Schlag in die Magengrube.
Eine andere Möglichkeit gab es noch, eine, die sich in den vergangenen Tagen
Weitere Kostenlose Bücher