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Mit Herz und Skalpell

Mit Herz und Skalpell

Titel: Mit Herz und Skalpell
Autoren: Julia Schoening
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ihre Lippen.
    Die OP-Schwester hatte in der Zwischenzeit begonnen, den OP-Tisch aufzuräumen und die benutzten Materialien auf Vollständigkeit zu prüfen. Linda ließ sich noch ein Pflaster anreichen, um die Wunde adäquat zu schützen. Erst als auch sie ihren Kittel und die Handschuhe in den Mülleimer warf, fiel ihr auf, dass Alexandra noch gar nicht wieder zurückgekommen war. Es schien ernsthafte Probleme im Nebensaal zu geben.
    Linda verabschiedete sich und lief ebenfalls hinüber. Als sich die Tür öffnete, blieb sie wie gebannt im Rahmen stehen. Auf dem Boden war überall Blut, und auch alle, die um den Tisch herumstanden, hatten blutbespritzte Kittel. Die Monitore piepten noch immer hektisch. Dem Anästhesisten standen Schweißperlen auf der Stirn.
    Nur eine Person im Saal wirkte nicht aufgeregt: Alexandra.
    Sie stand am OP-Tisch. Vollkommen konzentriert versuchte sie die Blutung zu stoppen. Alle starrten sie an, aber sie schien davon nichts mitzubekommen. Sie war die Ruhe selbst. Ihre schlanken, kräftigen Finger suchten geschickt das blutende Gefäß auf.
    Linda stand wie angewurzelt, ihre Blicke hingen an Alexandra. Sie war faszinierend. Ihre Art zu operieren war einzigartig. Wie gern wäre Linda eines Tages genauso gut wie sie.
    Immer wieder forderte Alexandra von der OP-Schwester ein neues Instrument. Allmählich wurde das herumspritzende Blut weniger, und die sich beruhigenden Pieptöne zeigten an, dass sich Blutdruck und Puls der Patientin normalisierten.
    Alexandra atmete tief aus. »Ihr habt bei der Schilddrüsenoperation die Halsschlagader verletzt«, erklärte sie Olaf Hühnel, dem Assistenzarzt, der völlig aufgelöst neben Alexandra stand. Seine Hände, die die Haken hielten, zitterten unaufhörlich.
    Tonlos erwiderte er: »So etwas habe ich noch nie erlebt.«
    Alexandra nickte. »Das denke ich mir. Aber warum zum Teufel bist du hier allein?« Sie versorgte die Wunde weiter, aber ihr Tonfall war schärfer geworden. »Wer ist dein Oberarzt? Wer hätte bei dir sein sollen?«
    »Herr Gärtner«, stammelte Olaf. Die Situation war ihm sichtlich unangenehm.
    »Jochen«, zischte Alexandra. »Das darf doch nicht wahr sein.« Sie drehte sich zu der OP-Schwester um. »Haben Sie ihn verständigt?«
    Die Schwester nickte. »Vor etwa zwanzig Minuten.«
    »Möchtest du zunähen?«, fragte Alexandra, nun wieder an den Assistenzarzt gewandt.
    Der zögerte. »Ich weiß nicht.« Ihm war anzusehen, wie sehr ihn der Vorfall mitgenommen hatte.
    »Du solltest es machen.« Alexandra reichte ihm mit Nachdruck das Nahtmaterial. »Du musst diesen Schreck überwinden und weitermachen. Sonst wirst du für immer Angst haben.« Sie blieb neben ihm stehen und beobachtete seine Arbeit ganz genau.
    Auf Olafs Gesicht zeichneten sich rote Flecken ab. »Wird die Patientin das überleben?«, murmelte er.
    Alexandra nickte. »Ja, wird sie. Und noch etwas: Es ist nicht deine Schuld.« Sie sah den jungen Arzt eindringlich an. »Er hätte dich nicht allein lassen dürfen. Zumindest noch nicht zu diesem Zeitpunkt. Das war zu früh . . . und das hätte Herr Gärtner wissen müssen.« Ihr Blick hatte sich verfinstert.
    Genau in diesem Moment drängte sich Jochen Gärtner an Linda, die noch immer im Türrahmen stand, vorbei in den Saal. Er drückte den Rücken durch, als er auf den Tisch zuging. Sein vernichtender Blick traf Alexandra. »Was machst du denn hier? Was ist hier los?«
    »Das sollte ich besser dich fragen.« Alexandras Stimme war messerscharf. Sie hielt Jochens Blick mühelos stand.
    »Olaf?«, wandte Jochen sich an seinen Assistenten. »Was ist passiert?«
    »Er kann nichts dafür«, mischte Alexandra sich ein. »Es hat eine große Blutung gegeben. Ihr habt die Carotis verletzt. Und es unerklärlicherweise nicht rechtzeitig bemerkt.« Sie zog die Augenbrauen zusammen. »Wo warst du? Du hättest dich darum kümmern müssen.«
    Jochen schob sein Kinn vor. »Unsinn. Olaf hätte das schon allein hinbekommen. Er ist ein guter Chirurg.«
    »Das bezweifle ich gar nicht. Aber du bist der Oberarzt.« Alexandra fixierte Jochen mit durchdringendem Blick. »Und dein Assistent hat noch nicht genug Erfahrung, allein mit so einer Komplikation fertigzuwerden.«
    »Ach . . .« Jochen schüttelte leicht den Kopf. »Es wäre schon nichts passiert.«
    »Jochen!« Nun hob Alexandra die Stimme. Eisige Pfeile schienen aus ihren Augen in Jochens Richtung zu schießen. »Die Patientin wäre fast verblutet. Und es wäre dein verdammter Fehler
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