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Mit Herz und Skalpell

Mit Herz und Skalpell

Titel: Mit Herz und Skalpell Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Schoening
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gewesen. Du wärst schuld gewesen.« Sie hielt inne, um einmal durchzuatmen. Etwas ruhiger sprach sie weiter: »So etwas sollte dir nie wieder passieren. Es ist nicht immer jemand in der Nähe, der deine Fehler ausbügeln kann . . . Und jetzt kannst du verschwinden. Den Rest schaffen wir auch ohne dich.« Die letzten Worte spuckte sie Jochen förmlich entgegen, während sie nach der Lampe über dem OP-Tisch griff und sie neu ausrichtete.
    Jochen gab sich geschlagen. Wutentbrannt und ohne ein weiteres Wort stampfte er davon, versuchte gar nicht mehr, das Operationsfeld zurückzuerobern. Erst als er die Tür passiert hatte, zischte er leise, aber doch so laut, dass Linda ihn gut verstehen konnte: »Schlampe.«
    Besonnen brachte Alexandra die Operation zum Ende. Wenn die Auseinandersetzung mit Jochen sie aufgewühlt hatte, ließ sie sich davon nichts anmerken. Sie strahlte völlige Ruhe und Gelassenheit aus. Als die Wunde endgültig verschlossen war, applaudierten alle.
    Auch Linda klatschte. Sie konnte erkennen, wie sich Alexandras Wangen leicht röteten.
    »Vielen Dank«, sagte Alexandra. »Aber so etwas Besonderes war das jetzt auch nicht.«
    »Nicht so bescheiden«, entgegnete der Anästhesist. »Das hätte nicht jeder so hinbekommen. Vor allen Dingen nicht so ruhig.«
    »Das denke ich auch«, mischte sich nun auch Linda ein.
    Alexandra sah in ihre Richtung, und sofort erschienen die Lachfältchen wieder. »Du bist ja noch hier. Hast du die ganze Zeit dort gestanden und zugesehen?«
    Linda nickte. »Ja, und ich bin genauso beeindruckt wie alle anderen.«
    Alexandra kam auf sie zu. »Kaffee? Ich könnte jetzt gut einen gebrauchen vor dem nächsten Eingriff.« Ihre Hand legte sich mit leichtem Druck auf Lindas Schulter.
    Linda wurde schwindelig. Ihre Haut brannte unter der Berührung. Das war nicht normal – ganz sicher nicht.
    »Gern«, brachte sie schließlich mühsam hervor, obwohl sich ihre Kehle anfühlte wie zugeschnürt.
    Kurz darauf saß Linda Alexandra im Aufenthaltsraum des Operationsbereichs gegenüber.
    »Das war wirklich imponierend«, kam Linda noch einmal auf das eben Geschehene zurück. »Wo lernt man nur so sicher zu operieren?«
    Alexandra nahm einen großen Schluck aus ihrer Kaffeetasse. »Wichtig ist, dass man sich die richtigen Vorbilder sucht und aufpasst. Du solltest niemals einfach nur so bei einer Operation daneben stehen, sondern immer mitdenken. Warum machen wir jetzt gerade diesen Schritt? Warum so und nicht anders? Und was würde ich selbst machen? So lernt man am meisten.« Sie sah Linda an. »Aber bei dir habe ich keine Zweifel, dass du eine sehr gute Schülerin bist.«
    Linda senkte kurz den Blick. Ihr war warm geworden. »Danke.«
    »Ich sage so etwas nur, wenn ich es wirklich ernst meine«, erklärte Alexandra und lächelte.
    »Wo hast du eigentlich studiert?«, fragte Linda, um Ablenkung bemüht, weil ihr das Lob fast unangenehm war. Außerdem interessierte es sie wirklich. Doch als sie Alexandras irritierten Gesichtsausdruck bemerkte, tat ihr diese persönliche Frage sofort leid. Sie hatte die magische Grenze der distanzierten Höflichkeit überschritten, und vielleicht war das ein Schritt zu weit. »Also . . .«, stammelte sie. »Ich wollte nicht zu privat werden.«
    Alexandra lehnte sich in ihrem Stuhl zurück und sah schon wieder entspannt aus. »Kein Problem. Ich habe in Hamburg studiert und dort an der Uniklinik auch meine Facharztprüfung für die Allgemeinchirurgie absolviert. Dann bin ich nach München gegangen. Dort habe ich dann meinen Viszeralchirurgen drangehängt und zeitgleich habilitiert.« Sie seufzte. »Es war eine wirklich tolle Zeit.«
    »Warum bist du dann nach Köln gekommen?« Kaum war die Frage ausgesprochen, biss Linda sich auf die Unterlippe. Die Worte waren ihr einfach entwichen. Dabei wollte sie auf keinen Fall neugierig wirken.
    Aber Alexandra antwortete bereitwillig: »Mir wurde hier eine Oberarztstelle angeboten. Da konnte ich natürlich nicht ablehnen. In München wäre das auf lange Sicht nicht möglich gewesen, also musste ich wohl oder übel gehen. Aber zumindest kann ich der Stadt in ein paar Wochen mal wieder einen Besuch abstatten.« Sie trank ihre Tasse leer und stellte sie auf den Tisch. In ihren Augen funkelte es plötzlich. »Vielleicht . . .« Ihre Stimme wurde sanft, und wenn Linda es nicht besser gewusst hätte, hätte sie denken können, dass sie ein ganz klein wenig nervös klang.
    »Wenn du Lust hast, meine ich«, setzte

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