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Mit Jockl nach Santiago

Mit Jockl nach Santiago

Titel: Mit Jockl nach Santiago Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heide Fürböck
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Straßenbelages tröstet uns über die grenzenlose Einöde aus vertrocknetem Gestrüpp dürren Gräsern und niederem Buschwerk. Die Ebene zeigt erste Hindernisse, als hin und wieder Granitgestein in unebenen Platten durch die dünne Humußchicht bricht. Mancherorts nehmen diese Platten dann auch Gestalt an, wölben sich mannshoch auf, oft »bedeckelt« von einem zweiten kleineren, zuweilen auch größeren Felsbrocken in der Art krapfenförmiger Wackelsteine. Und ehe wir’s richtig mitbekommen, umzingelt uns ein urtümlicher Wackelsteinwald, dazwischen sprengt blaßgelbes widerborstiges Gestaude die steinhart getrocknete Erde. Keimende Gedanken an außerirdische Weiten bestätigt auch ein Himmel von farbloser Unendlichkeit. Ein entgegenkommender Pkw, das einzige Fahrzeug seit einer Stunde, hält gegenüber am Straßenrand, und zwei hitzegeplagte Franzosen fragen uns nach dem Weg nach Portugal. »Oui, tout droit!« antworten wir und deuten gleichzeitig in die Richtung hinter uns. Kurzfristig schenkt uns bei Salto de Villalcampo der Anblick des gestauten Río Duero trügerische Frische; der selbe Duero, der hier in einem weitausholenden Nordbogen nach Miranda fließt und von dort als portugiesischer Douro seinen Lauf zum Atlantik fortsetzt. Reglos, leblos zieht das Land an uns vorbei, schweigend nehmen wir die Eindrücke auf. Ebenso schweigend trinken wir auch eine Stunde später in Ricobayo unseren ersten Café con leche. Soviel Kargheit ringsherum macht auch wortkarg.
    Das ändert sich, als wir auf die N122 nach Zamora auffahren wollen. Pech! Ein Fahrverbot für landwirtschaftliche Maschinen macht der Vorstellung, sich in eineinhalb Stunden in einer Eisdiele spanischen Impressionen hingeben zu können ein vorzeitiges Ende. Statt dessen ackern wir querfeldein, den Wegbeschreibungen einiger Einheimischer folgend, auf Schotter- und Sandaufschüttungen einer Verbindungsstraße entgegen, die uns ins südliche Villaseco bringen soll und von dort auf Umwegen nach Zamora. Eine andere Möglichkeit besteht laut Landkarte nicht, trotzdem werden wir Villaseco nie zu Gesicht bekommen. Während unserer Irrgartenrunden auf der Suche nach so etwas wie einer Straße, überrascht uns im wahrsten Sinn des Wortes ein aus dem Südwesten heranziehendes Gewitter, dessen Wolken sich mit rapider Geschwindigkeit aufblähen und bald den gesamten Himmel verdunkeln. Noch hoffen wir, Villaseco zu erreichen, als sich bereits die ersten schweren Tropfen lösen und die schmale Straße vor uns in den schräghängenden Fahnen eines von Blitz und Donner begleiteten Wolkenbruchs verschwindet. Windhosen wirbeln vor der Regenwand her, und fegen wie biegsame Solotänzer über das Parkett der schattenlosen Ebene. In der Plötzlichkeit, mit der dieses Gewitter alle Helligkeit verschluckt hat und mit Rebellion droht, reagieren wir mit Rückzug. Rasch, rasch zum letztgesichteten Wackelstein, dem einzigen Schutz auf weiter Flur; runter vom Jockl und wie zwei verschreckte Spatzen unter den Fels. Als nach einer Viertelstunde, der befürchtete Guß noch immer auf sich warten läßt, »rasen« wir, so schnell es die Wegbeschaffenheit eben zuläßt, weiter durch Wind und Staub mittenhinein ins Ungemach, das uns dann tatsächlich in einem Ort namens Almaraz de Duero, vier Kilometer östlich von Villaseco, sintflutartig heimsucht, das war’s dann auch. Im Gewölk gärt es zwar noch beängstigend, Blitze zerschneiden grellgelb den aufgewühlten Himmel, doch der Regen hat sich erschöpft. Wie Gehetzte stressen wir über Wellen aufgebrochenen Asphalts, über Löcher und Gräben eines unbeschilderten Weges und kommen trotzdem kaum vom Fleck. In der verheerenden Rumpelei versagt schließlich, wie schon des öfteren, auch noch die Blinkbeule ihren Dienst und zwingt uns zu einer größeren Pause, damit Wolfgang den Defekt beheben kann, denn ohne funktionierendes Blinklicht riskieren wir ein hübsches Bußgeldsümmchen, sollte uns ein schlechtgelaunter Gesetzeshüter aufgreifen.
    Binnen zwei weiterer Stunden hat sich alles geändert: die Wolken ziehen nach Osten ab und hinterlassen ein gereinigtes Firmament; das breite Duero-Tal leuchtet in regenfrischen Farben seiner ungewohnt begrünten Uferauen und in gelben Meeren vollerblühter Sonnenblumen; in der Proviantkiste gähnt nach der letzten Plünderung ernüchternde Leere - und das gelobte Zamora rückt in greifbare Nähe. Nach einer halben Ewigkeit in der »Wildnis« ersteht vor unseren Augen ein um so märchenhafteres Bild

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