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Mit Jockl nach Santiago

Mit Jockl nach Santiago

Titel: Mit Jockl nach Santiago Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heide Fürböck
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sattsehen können am harmonischen Ortsgefüge und den kräftigen Ockertönen seiner Häuser, die mit den Hügeln im Hintergrand eine farbliche Einheit bilden.
    Doch das Beste folgt zum Schluß unserer heutigen Etappe, als uns vermeintliche Regentropfen - wahrscheinlich traf uns nur der Schweiß des spanischen Herrgotts - zu einem überstürzten Aufbruch veranlassen. Von Süden her zieht der Himmel dunkelgrau zu, treibt in rasantem Wettlauf mit unserem Jockl die Wolkenformation über uns hinweg und klärt den Himmel schneller als gedacht zu einem makellosen Blau, während sich im Norden ein kleiner Vorgeschmack auf die Unterwelt zusammenbraut. Wir bleiben auf dem rechten Weg der N110 Richtung Puerto Altos de Ayllón und erleben dabei einen Garten Eden an Farben und wirklichkeitsentrückter Natur. Ein gemäßigter Anstieg endet auf einem kleinen Hochplateau, von dem unsere Blicke in einem wahren Farbrausch einer äußerst herben Landschaft ertrinken. Hier oben und weiter bis ins nächste Tal krallt sich kräftiges Rostrot trockener Erde förmlich in die Augen. Ja ein Meer aus Rostrot, Sienabraun, Ziegelrot, Zimt und Krapp und allen Mischungen daraus, selten unterbrochen vom satten Gelb blühender Sonnenblumenfelder, dazwischen müdes Dunkelgrün niedriger Steineichen, die einzeln stehend, in der Art kugeliger Dombüsche, ganze Landstriche spicken. Hellgrauer Fels grenzt das Tal vor uns nach oben hin ab, daran schließt ein wie hingeklebter Himmel in knalligstem Blau und hellgelbe Stoppelflächen abgeernteter Getreidefelder leuchten in dieser Farbenpracht wie aufgesetzte Lichtreflexe - ein nie zuvor gesehenes Bild! Dazu steht der Hintergrund einer bis an den nördlichen Horizont reichenden infernalen Wolkendüsternis in einem frappierenden Kontrast der den Farben zusätzlich eine gefirniste Frische verleiht. - Und wir stehen davor und können nichts anderes als sprachlos und überwältigt sein. Wolfgang sieht in diesem Fleckchen Erde symbolisch ganz Spanien enthalten, alles was dieses herrliche Land ausmacht, die Essenz sozusagen, seine Nationalfarben inbegriffen: rot und gelb!
    Möchte man solche Szenerien treffend beschreiben, stößt man bald auf die Hindernisse eines kläglichen Wortschatzes, den Mängeln einer unzureichenden Form des Ausdrucks oder der Unzulänglichkeit der Sprache überhaupt. Zudem kommt, daß jeder seine Umgebung natürlich mit anderen Augen wahrnimmt und erfährt, und immer läuft man dabei Gefahr, das Wesentliche nicht erkannt bzw. festgehalten zu haben.
    Sehr eindeutig hält uns heute abend jedenfalls diese traumhafte Landschaft fest. Nach der Grenze zur Provinz Soria und zwei Kilometer vor dem Ayllón-Paß schlagen wir uns hinters Gebüsch eines schützenden Steineichenwalls. In einer Stille, die man hört und einer Einsamkeit, die man sieht, verbringen wir einen unserer schönsten Abende. Selbst das Geräusch verhaltenen Geplätschers beim Waschen, das zaghafte Getröpfel abrinnenden Wassers zurück in die Waschschüssel stört den Frieden nicht, sondern setzt der überirdischen Ruhe des Tagesausklangs eine beruhigende, irdische Komponente.
     
    Starkes Wetterleuchten in der Nacht paßt so richtig in die ausgesetzte Einsamkeit dieser Gegend. Jedes sekundenlange Aufflackern am nordöstlichen Horizont mutet wie ein kosmischer Pulsschlag an. Am Morgen jedoch endet alle mystische Stimmung im farblosen Einheitsgrau. Die Faszination und Schönheit der gestrigen Landschaft ist wie ausgelöscht. Keine Sonne, die die Farben zum Glühen bringt; kein Strahl, der sie von neuem entfachen könnte. Wir sitzen da und reiben uns die Augen, als bräuchte es nur einen klaren Blick, das allumfassende Grau zu durchdringen.
    Bei kühlen 14°C räumen wir unser Lager und freuen uns auf einen Kaffee in San Esteban de Gormaz, eine Fahrstunde entfernt. Ein unscheinbarer, sonntagsschläfriger Ort, in dem sich das bißchen Leben in einer einzig geöffneten Bar und einer Bäckerei abspielt - die Männer in erst-, die Frauen in letztgenannter. So soll es sein! Trotzdem kostet uns San Esteban mehr Zeit als gedacht. Die zauberhafte romanische Kirche von Nuestra Señora de Rivero, etwas außerhalb des Ortszentrums, verdient mehr Aufmerksamkeit als nur eine bewundernde Umrundung ihres vortrefflich restaurierten Gemäuers, dessen herrlicher Portikus uns allein schon über alles entzückt. Ansonsten läßt dieser Vormittag nichts an Trübsinn zu wünschen übrig- Als es während der Fahrt nach El Burgo de Osma noch zu regnen

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