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Mit Jockl nach Santiago

Mit Jockl nach Santiago

Titel: Mit Jockl nach Santiago Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heide Fürböck
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anfangt, ergeben wir uns seufzend unserem Schicksal.
    In El Burgo planen wir einen längeren Aufenthalt. Das Zeitpolster benötigen wir, um uns überhaupt durch das salzburgähnliche Gassengedränge zu kämpfen. Nach Tagen durch touristisches Entwicklungsland verdreht uns die Stadt förmlich die Köpfe, nachdem sie uns zuvor schon bei der Anfahrt mit einem verheißungsvollen Stadtbild, das der barocke Turm der Kathedrale beherrscht, in freudige Erwartung gestürzt hat. Allerdings haben wir nie und nimmer mit solchen Besuchermassen gerechnet, die El Burgo in Wellen durchwandern. Hauptursache für den Andrang, neben einigen sehenswerten Baulichkeiten und einer einladenden Shoppingmeile ä la Getreidegasse, dürfte jedoch eine Dauerausstellung romanischer Miniaturen im Museum der Kathedrale sein. Vor dem Eingang stehen die Leute bis um den halben Kirchenkomplex Schlange, als wäre heute der letzte Einlaß. Bei allem Interesse müssen wir die Kunst unserer Warteunwilligkeit opfern. Stattdessen lernen wir El Burgo kennen, trotz Himmelsgräue und herrschaftlicher Grandezza eine heitere Stadt voller Temperament.
    Der aufgelassene Campingplatz erfordert eine kurzfristige Umplanung unserer Tagestour, und so fahren wir noch an diesem Nachmittag Richtung Gormaz weiter und fiebern einer Begegnung mit der längsten Burg Europas entgegen. Nach einigen Kostproben verschiedener Abzweigungen inner- und außerhalb der Stadt finden wir endlich die richtige, die ein kurzes Stück entlang des Río Ucero und dann zwölf Kilometer durch verdunkeltes Land führt. Eine einheitlich dichte Wolkendecke eines heranziehenden Gewitters reicht vom südlichen Horizont bald bis zu uns heran. Und als auf dem letzten Drittel unseres Weges das Bollwerk von Gormaz, eine der ältesten arabischen Wehranlagen auf spanischem Boden, in der Ferne auftaucht, können wir uns keinen besseren Hintergrund dafür wünschen. - Das ist Dramatik pur! Auf dem einzigen, steilabfallenden Bergrücken weit und breit wahrt die ellenlange Festung auch als Ruine noch ihre Unnahbarkeit und militärische Strenge; doch ihre Monumentalität wird weder aus der Ferne noch bei der steilen Auffahrt zum Eingang irgendwie faßbar. Eine Reihe hoher, rechteckiger Türme gliedern die überdimensionale Front und lösen sie optisch aus einer scheinbaren Verwachsenheit mit dem Fels. Seit der legendäre Nationalheld El Cid die maurische Bastion Gormaz im 11. Jahrhundert erobert hat, herrscht sie zeitlos über das fruchtbare Land am Duero und hält jeden Besucher in ihrem Bann, der ihre Paradelänge ungläubig abschreitet. Ein Ort der Stille und der Erhabenheit, von der man sogar im verhärmten Dorf Gormaz am Fuße der Burg noch etwas ahnt. Hier füllen wir am Brunnen unsere Wasserkanister auf und peilen anschließend unser nächstes Festungsziel an: Berlanga de Duero, eine gute Fahrstunde östlich von Gormaz. In dem an Sehenswürdigkeiten reichen Städtchen interessiert uns in erster Linie natürlich das großartige Castillo aus dem 15. Jahrhundert auf einem Hügel am Stadtrand. Sein trutziger Burgfried überragt einen doppelten Mauerring, der an einer Seite mit dem Steilufer des Río Escalote abschließt. Da der äußere Befestigungsring in beträchtlichem Abstand zum inneren Ring verläuft, gewinnt die Burg an eindrucksvollen Gesamtausmaßen, und zusammen mit den Festungen von San Esteban, Osma und Gormaz sicherte sie einst eine der kastilischen Pforten, als auch die Verkehrswege am Duero.
    In der zunehmenden Schwüle des Nachmittags hat mich die ganze Ruinenkletterei ziemlich ausgelaugt, und so latsche ich danach nur mehr pro forma neben Wolfgang durch die Stiftskirche La Colegiata, deren schummrige Gedämpftheit mich nur noch müder macht. Das Kreuzrippengewölbe nehme ich zwar zur Kenntnis, doch zu größerer Aufmerksamkeit schafft es die Kunst- und Kulturabteilung meines Hirns nicht mehr. Auch das wechselhafte Wetter schlaucht uns - mal Regen, mal Sonne, dann wieder Gewitterstimmung und immer schweißtreibende Temperaturen; kaum treten wir aus der Kirche, jagen Windböen Staub und Papierfetzen durch die Straßen. Schon zehn Minuten später ergießt sich ein heftiger Platzregen über die Stadt, der unsere Weiterfahrt kurzfristig verzögert.
    Ein ideales Plätzchen für unser Nachtlager bietet sich endlich keine fünf Kilometer von Berlanga in einem Wald abseits der Straße. Dort, in Rufweite einer kleinen Kirche, die als Schafstall genutzt wird, ertasten uns zwischen den Bäumen sogar

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