Mit Jockl nach Santiago
himmelblau, die Leistung unseres Jockls. Angesichts seiner treuen Dienste und ungebrochenen Kräfte tätscheln wir unserem zweimaligen Pyrenäenbezwinger wie einem Gaul anerkennend die alten Flanken: »Brava Jockl, guat hostas gmocht, bist hoit a zacha Hund!«
Braungewordene Sonnenblumenfelder, grüne Wiesen und vereinzelt auch wieder Weingärten links und rechts herrlicher Platanenalleen begleiten uns durch das warme Spätnachmittagslicht, in dem die Mauem der Ortschaft Fanjeaux verheißungsvoll aufleuchten. Jedoch lassen wir das Dorf mit seiner krönenden Kirche über einem steilen Abhang unbesucht zurück. Des Fahrens längst überdrüssig, treten wir den Jockl die letzten zehn Kilometer nach Montreal zu Höchstgeschwindigkeiten.
Schon das zweite Montreal auf unserer Tour und noch immer kein Kanada in Sicht. Auch dieser Ort staffelt sich über einer Anhöhe und bietet rund um die langschiffige und mächtige Stiftskirche Saint-Vincent gesammelt ein sehr idyllisches Bild. Nichts läßt mehr die einstige Brisanz bei theologischen Zusammenkünften ahnen, mit der sich hier Katholiken und Katharer hitzige Wortgefechte lieferten und dabei ihren jeweiligen Glauben zu verteidigen suchten. Zu diesen Zeiten scheute man noch den Gang zu den Waffen und übte sich stattdessen in verbalem Schlagabtausch. Aus diesem entstand zur Stärkung des eigenen Glaubens und zur Bekehrung der Ketzer unter Dominique Guzman, einem spanischen Domherrn, der Dominikanerorden, dem später die wenig rühmliche Aufgabe zufiel, die Glaubensabtrünnigen durch päpstliche Inquisition ins Jenseits zu foltern. Mit sehr viel Zeit ließen sich Details der umfangreichen Katharergeschichte nahezu in jedem Ort ausgraben bzw. zurückverfolgen, wertvolle und aussagekräftige Steine und Steinchen im reichen Ereignismosaik eines kaltblütig niedergeschlagenen Glaubens und einer nicht tolerierten Weltanschauung.
So friedlich und unbedarft, wie wir Montreal an diesem frühen Abend kennenlernen, können wir uns hier nicht einmal einen größeren Auflauf am Wochenmarkt vorstellen, geschweige denn Konferenzen von kirchenpolitischer Tragweite. Die Menschenleere des Ortes pflanzt sich bis zum Campingplatz fort, wo wir auf laubrascheliger Blätterwiese unter Ahornbäumen unser Quartier beziehen.
In den ersten Morgenstunden dringen vertraute Geräusche an mein schlafloses Ohr - Regen! Auf dem bis dahin trockenen Laub fallen die Tropfen wie auf Packpapier und erzeugen ein fortlaufendes Getrommel. Bis zum Tagesanbruch wässert schließlich ein regelmäßig-monotoner Schnürlregen das Land und verspricht auch nicht so bald wieder aufzuhören.
Zusammen mit drei oder vier anderen Campern räumen wir den kleinen Platz und verflüchtigen uns in alle Winde. Uns fegt der Wind, begleitet von einem mittelstarken Schauer, kurz vor Montreals Ortsausfahrt, erst einmal in eine Bar. Dort versuchen wir die nächtliche Klammheit ein wenig loszuwerden, umfassen mit naßkalten Händen große Pötte heißen Kaffees und stecken unsere Nasen in wohlriechenden weißen Dampf. Auf einigen Tischen liegen die Tageszeitungen der Region und Wolfgang angelt sich eine davon zu uns. Lady Dianas Liebreiz lächelt vom schwarz-weißen Titelbild. »Wosn do scho wida los, daß die Dai sogoa in am Prowinzbladl in da Reißn hom?« Es braucht keine zwei Minuten, um mit ein paar Langenscheidt-Übersetzungen zumindest den ungefähren Wortlaut der Schlagzeile zu enträtseln.
Lady Di ist tot! Auf diesen simplen Satz läßt sich das tragische Unglück und die Umstände, die dazu führten, reduzieren. Eigenartigerweise löst diese Nachricht in uns so etwas wie Betroffenheit aus, obwohl wir dem englischen Königshaus weder via TV, noch über die Yellow Press oder sonstigem biographischen Buchgebrabbel besonders nahe stehen. Der Kaffee wird darüber kalt, bis wir den Zeitungsartikel im groben durchgeackert haben. Daß auch die Großen und Schönen dieser Welt die dunklen Zonen von Unglück und Tod erfahren, macht sie für das »gemeine« Volk nach wie vor doppelt interessant und anziehend, noch dazu wenn es sich um die umschwärmte Erscheinung einer Princess of Wales handelt. Trotzdem stoppt weder die Erde ihre Rotation, noch hält die Welt den Atem an, auch wenn es für den Bruchteil eines Augenblicks so aussehen mag.
Wir zahlen und verlassen die Bar, zugegebenermaßen weit weniger sauer über das schlechte Wetter, als noch wenige Zeit zuvor. Gegenüber parkt Jockl und wartet auf den Start zu einer sehr
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