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Mit Jockl nach Santiago

Mit Jockl nach Santiago

Titel: Mit Jockl nach Santiago Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heide Fürböck
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müden Fußes zum Camp zurückwatscheln.
    Am letzten Nachmittag unseres Aufenthaltes probieren wir noch einmal eine Kontaktaufnahme mit der sonnenvergoldeten Cite - doch sie bleibt in unseren Augen so leblos wie überfüllt. Schade! Dafür lernen wir am Abend einen jungen, weltreisenden Australier kennen. Sein öder Computerjob hat ihn dazu veranlaßt, eine einjährige Globetrotter-Pause einzulegen, anstatt weiterhin lustlos im Internet herumzusurfen. Er berichtet recht unterhaltsam von seinen Erlebnissen und Eindrücken der bisher besuchten Länder. Nebenbei bemerkt, findet er es sehr seltsam, daß man ihn in Frankreich - und nur hier - gelegentlich für einen Österreicher hält. Kommt uns das bekannt vor? - Wie oft haben wir an Rezeptionen französischer Campingplätze (mit Ausnahme eines portugiesischen) unsere Pässe oder Campingkarte vorgelegt und wurden trotzdem ohne mit der Wimper zu zucken dem Kontinent Australien zugeordnet. Berichtigte man den Irrtum, dann blieb dem Unwissenden immer noch zu rätseln, in welcher Sprache wir uns verständigen. Nicht den wenigsten war es vorstellbar, daß Österreicher deutsch sprechen - das tun doch nur die Deutschen! Irgendwie bewegen wir uns als Nationalität immer zwischen den Fronten, sind nicht dies und nicht das und doch alles zusammen, sprechen englisch und deutsch oder sonst irgendein Kauderwelsch und kommen von Österreichisch-Australien oder von auswärts halt. Österreich existiert nicht und wenn, dann meist nur als staatliche Amphibie. Wie dem auch sei, der Mißverständlichkeit ein Schnippchen zu schlagen, sollten die internationalen Kennzeichen von »A« und »AUS« zusätzlich jeweils mit den Piktogrammen einer Gemse und eines Känguruhs kombiniert werden, um die national- wie selbstbewußten Franzosen vom störenden Makel ihrer geografischen Unwissenheit zu befreien. Aber zur Wiederholung: Österreich ist jenes Land, dem Frankreich seinerzeit Marie Antoinette als Ehegespons für den Dauphin lieferte. Schon vergessen, he? Und Australien? Ja, das ist eine große Insel, viel, viel größer noch als euer Korsika und ganz, ganz weit weg, aber nicht so weit wie der Mond!
     
    Es wird Zeit, daß wir uns wieder in Bewegung setzen. Zu lange Aufenthalte an Ort und Stelle bekommen unserer Zweisamkeit nicht besonders. In der unausweichlichen Enge des Zeltes können sich leichte Mißstimmungen schnell zu handfesten Auseinandersetzungen auswachsen. Nach monatelanger Lebensgemeinschaft mit Ameisen, Spinnen, Ohrwürmern und Schnecken im Chaos unseres täglichen Quartierbaus, morgens wie abends auf Knien herumkriechend und am Hintern herumrutschend, genügt schon etwas verschütteter Kaffee, ein paar Ameisen in der Proviantkiste oder ein grunziges »Moagn«, das den Funken ins Pulver befördert. Tagelang übt man sich in Beherrschung, kleine störende Marotten des jeweils anderen zu ignorieren oder zu verharmlosen, bis zu passender Minute verschlamptes Duschgel, ausgeronnenes Wachs oder schmutziges Geschirr das Faß zum Überlaufen bringen. Zudem erschwert das ständige Beisammensein die Möglichkeit eines emotionalen Dampfablassens. Zuhause entschwindet jeder bei rumorigen Mißtönen in die eigene Wohnung, und wenn sich die Wogen geglättet haben, Ärger und Zorn verraucht sind, beginnt ein neues Kapitel in unser beider als Gemeinschaft getarntem Singledasein. Während langer Wochen des Unterwegsseins läßt sich diese Tür-zu-Patentlösung kaum praktizieren. Natürlich kleben wir nicht jede Minute zusammen, doch ersetzt das im Notfall keine ganztägige Abschottung, und wie sich hinlänglich gezeigt hat, helfen Kompromisse oft nur bedingt. So überbrücken wir kritische Situationen größtenteils mit Waffenstillständen nach dem Motto: »Ge loß mi in Rua!« oder »Vagiß es!« Dank letzterem bleibt auch Carcassonne von einer drohenden Wortschlacht verschont. Brennende Lunten werfen wir noch in der Stadt in die Aude und Jockl rüttelt uns die Grummeligkeit bald wieder aus den Knochen.
    Einige hundert Meter führt die Straße entlang des Canal du Midi, ein 240 Kilometer langes technisches Meisterwerk aus den Tagen des göttlichen Sonnenkönigs, das Toulouse mit der Mittelmeerstadt Sete verbindet. Gerade kommen wir zum Durchschleusen dreier Ausflugskähne zurecht und nützen die Gelegenheit dabei zuzusehen, wie sich nach dem Schließen der hinteren Schleuse das Becken rapide füllt, die Boote sich im steigenden Wasserpegel rasch heben und dann nach dem Öffnen der vorderen

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