Mit Jockl nach Santiago
unbezwingbare Ausgegrenztheit aus, wenn man sich ihm in steilen Serpentinen durch eine traumhafte Gebirgslandschaft, mit einer Reihe 2000er-Gipfel im Hintergrund, mit felsigen Spitzen über bewaldeten Steilhängen, langsam nähert. Büßte das wehrhafte Montsegur auch den Titel einer Unbesiegbarkeit ein, so haftet seinem Standort in berauschenden Höhen noch immer ein geheimnisumwitterter Odem an, der den Reiz der gedrungenen, wie schlichten Buig noch erhöht. Mögen die Katholiken die Katharer bezwungen haben, den letzten Sieg trägt Jahr für Jahr die Natur davon; vor tiefblauem Himmel leuchtet das Rot der Vogelbeeren und Hagebutten und an den Brombeerwällen glänzt beerenschwarz die Fruchtmenge für Dutzende Gläser köstlicher Brombeermarmelade. - Ich kann’s nicht lassen!
Am Col de Montsegur stellen wir unseren Jockl mit der Burg im Hintergrund für ein Foto in die Wiese. In diesem Almfrieden vor dem seltsam geformten Fels der Burg nimmt er sich aus wie eine eicher-blaue Kuh.
Das Bild vom felsigen »Pog« begleitet uns auf der anderen Seite des Berges ins Tal. Selbst vom Campingplatz in Lavelanet, elf Kilometer von Montsegur, wird man von bestimmten Blickwinkeln aus seiner unverkennbaren Form ansichtig. Die Fluchtburg der Katharer läßt uns nicht so schnell aus ihren Fängen.
Am letzten Tag im August hat es Temperaturen wie im Herbst. Um 9.00 Uhr mißt Wolfgang selbst nach dem Kaffeekochen nur 13°C im Zelt. Kondens- und Tauwasser rinnen innen wie außen an der Plane runter und es dauert, bis wir alles in halbwegs getrocknetem Zustand in die Kiste verfrachtet haben. Vom Jockl tropft es, als stünde er seit Stunden im Regen, und das nasse Gras glitzert in der Morgensonne, die sich zwischen den Bäumen einige Strahlenschneisen bahnt.
Im sonntäglichen Lavelanet verzehren wir gleich unseren ganzen Tageseinkauf an Essen, so drückt uns für den Rest des Tages außer unseren Bäuchen wenigstens keine Sorge um Proviantbeschaffung. Ansonsten gibt sich der Ort süßer Trägheit hin, die wir nur zu gerne gegen eine Fahrt ins 20 Kilometer entfernte Mirepoix vertauschen, allerdings nicht minder langweilig in einem endlosen Geradeaus ohne nennenswerte Blickfänge beiderseits der Straße. Recht wortkarg brüten wir Mirepoix entgegen. Dort aber endet unsere dösige Stimmung schlagartig, denn die Bastide besitzt ein ganz hinreißendes Ambiente, das sich dem Besucher jedoch erst im Zentrum in vollem Umfang erschließt. Keine Ungereimtheit verrät auf den ersten Blick, daß Mirepoix nach einer verheerenden Überschwemmung des Hers im 13. Jahrhundert auf der anderen - linken - Flußseite wieder aufgebaut wurde. Die breiten Laubengänge am Hauptplatz und die schmucken Fachwerkhäuser rund um die Kathedrale vermitteln den Eindruck einer seit langem gewachsenen Kleinstadt. Nur an der wohltuenden Großzügigkeit, mit der Häuser, Straßen und Plätze Anordnung fanden, erkennt man die Neuplanung der Stadt auf dem »Reißbrett«. Als Mirepoix noch am rechten Hersufer existierte, wohnten zahlreiche Katharer in ihren Mauern, auch der Stadthalter gehörte zur Anhängerschaft der Ketzer. All das änderte sich nach der Belagerung der Stadt, als die Katharer unbehelligt das Weite suchten und in ihren Burgen in den Pyrenäen Zuflucht nahmen. Die Stadt geriet endgültig unter katholische Fittiche, was nicht zu ihrem Schaden war, erst recht nicht nach der gewaltigen Überschwemmungskatastrophe, als sie nach ihrem Wiederaufbau zu einem Knotenpunkt des Handels und einer Insel behaglicher Lebensqualität erblühte. Noch heute profitiert auch der Besucher davon, der unter den wind- und wettergeschützten Arkaden aus behäbig massiven Holzbalken die halbe Stadt abmarschieren kann. Einzig die gotische Kathedrale, ein wirkungsvoller, einschiffiger Bau, verdirbt mit ihrer mißlungenen ornamentreichen Ausmalung für wenige Minuten den ausnehmend guten Geschmack an Mirepoix. Lange Zeit sitzen wir bei mundigem Café au lait unter den Arkaden und frönen dem Nichtstun, Beobachten und Einatmen der trauten Beschaulichkeit rund um uns, von der wir uns gegen 16.00 Uhr nur unwillig losreißen.
Auf der Straße nach Fanjeaux rollen wir aus der Ebene einer kleinen Erhebung entgegen. Von der trifft uns ein toller Gesamtblick auf die zurückliegenden Bergketten der Pyrenäen wie eine Offenbarung. Am Horizont türmt sich das Gebirge in abgestuften Grautönen wie eine unüberwindbare Sperre gegen den Süden auf. Erst hier bestätigt sich, quasi grau vor
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