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Mit Jockl nach Santiago

Mit Jockl nach Santiago

Titel: Mit Jockl nach Santiago Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heide Fürböck
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kurzen Tagesetappe: 19 Kilometer nach Carcassonne. Jedesmal in früheren Jahren, wenn uns der eilige Weg auf der Autobahn an Carcassonne vorbeiführte, war aus diesen und jenen Gründen keine Zeit für einen Besuch. Dabei kann kaum eine Stadt mit einem großartigeren Anblick zum Stelldichein verführen, als die türmebewehrte Cité von Carcassonne. Schon von weitem wirken ihre Zinnenmauern und kegeligen Turmdächer wie eine märchenhafte Filmkulisse oder wie ein übriggebliebenes Stück Mittelalter, das die Jahrhunderte überdauerte, ohne sich um den Lauf der Zeit zu scheren. Die Cite, also die befestigte Oberstadt, erhebt sich bei unserer Anfahrt rechts der Unterstadt und besitzt alle wehrhaften Attribute, die nötig waren, um so mancher Belagerung standzuhalten. Auch zu Katharerzeiten machten sie unerbittliche wie habgierige Kreuzritter zu einer beliebten Zielscheibe ihrer militärischen Streifzüge; allerdings war sie dem kriegerischen Ansturm nicht immer gewachsen. Erst als man ihr ramponiertes Gemäuer wieder zu einer vorzeigbaren Verteidigungsanlage instand setzte, um mit ihrer Hilfe das französische Reich gegen den aragonischen Süden zu sichern, erhielt die Cite von Carcassonne jene Befestigungselemente, die sie zu einem uneinnehmbaren Bollwerk machten. 39 Türme verteilt über eine doppelte Ringmauer, zwei mit Vorburgen verstärkte Tore als Zugang, das imposante Château Comtal mit seinem massiven Pulverturm, die stattliche, romanisch-gotische Basilika Saint-Nazaire, dazu die Dachlandschaft dichtgedrängter Häuser innerhalb der Umwallung sowie mit Maschikulis, Scharten und Schlitzen ausgestattete Türme und Mauern das war Carcassonne damals und ist es auch noch heute. Inmitten einer gut überschaubaren Ebene genügte die geringe Erhebung der Cite auf einem Hügel, um feindliche Annäherungen ehestmöglichst auszumachen und diese auf weiter Flur und ohne Deckung im Handumdrehen und Bogenzücken zum Teufel zu schicken. Im 17. Jahrhundert erlahmten die Kampfgelüste der Franzosen und Spanier merklich. Zur Abwechslung war Frieden angesagt, man trug sein Wams und die darunterliegende Haut wieder lieber undurchlöchert, als von Feindeshieben brutal zerfetzt. Nur, wie sich zeigte, bekam der Cite der Frieden schlecht. Sie verhärmte unter der plötzlichen Bedeutungslosigkeit zu einer Befestigung ohne Daseinsberechtigung. Dabei spricht es für die Zerstörungswut der Menschen, die sich der nutzlos gewordenen Anlage wie eines Steinbruches bedienten; Erosion und Jahrhundertfäulnis trugen das ihre bei. Erst im 19. Jahrhundert besann man sich auf den kulturgeschichtlichen Wert und die einstige Schönheit der Cite und begann mit einer umfangreichen Restaurierung. Und als könne der Mensch scheinbar nichts in rechten Maßen betreiben, geriet die Generalsanierung um einiges zu exakt und gelackt, so daß selbst das bißchen vorhandene Leben noch aus den erhaltengebliebenen Mauern gehämmert und gespachtelt wurde. Nun ähneln die Bauten zwar jenen des Mittelalters, doch die seelenlose und pedantische Akkuratesse des 19. Jahrhunderts schwingt unweigerlich mit.
    Wahre Heerscharen und Busladungen an Besuchern verstopfen heute die Gassen der Cite, wälzen sich an bunt behängten Ramschläden und Freßbuden vorbei und kennen die Stadt letztlich wahrscheinlich nur von ihren gekauften Ansichtskarten, denn für einen Blick in natura fehlen Zeit und Ruhe. Die Massen schieben und drängen, und ungezählten Fotografierwütigen steht man jeden dritten Schritt vor der Linse. Also hier hab’ ich wirklich nichts verloren, und Wolfgangs Gesichtsausdruck spricht nur von verhaltener Begeisterung. Carcassonnes verführerischer Charme wirkt vortrefflich auf eine Distanz von mehreren hundert Metern. Hier kann sie dem getäuschten Auge ihre Reize am besten vorgaukeln und ihre aufgepfropfte Makellosigkeit am besten vertuschen.
    In Sichtweite der Oberstadt steuern wir den Campingplatz an, ein Areal, groß genug, um sich zu verlaufen und gerade recht, um es drei Nächte auszuhalten, ohne dem Nachbarn auf die Pelle zu rücken. Außerdem Zeit genug, um in der Unterstadt bei Regen, wie bei Sonnenschein herumzustiefeln. Hier halten sich die Menschenmassen wenigstens etwas in Grenzen und ein gemächliches Bummeln ist noch möglich, ohne irgendein fremdes Objektiv an den Rippen zu spüren. Jockl verordnen wir eine Erholung am Camp, während wir für unsere jeweiligen Stadtbesuche den Bus nehmen und nach den absolvierten Sightseeing- und Einkaufstouren

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