Mit Jockl nach Santiago
meiner Meinung einfach keine Architektur, sondern nur geschmacklos verpackte Luft.
Die Salinen von Arc-et-Senans bieten nach ihrem Niedergang und einer gründlichen Sanierung heute weit mehr als nur ihren Anblick. In den zahlreichen Räumen und Sälen nützt man den großzügigen Platz für Ausstellungen und Festivitäten aller Art. Eines der Werksgebäude widmete man passenderweise Nicolas Ledoux’ Entwürfen. Geschützt unter Glasvitrinen, geben sie in Form präzisester, maßstabgetreuer Modelle von Villen, Theater, Schlösser, Brücken und anderen Baulichkeiten einen kleinen Einblick in das breite Schaffensspektrum des königlichen Architekten.
In ein anderes Gebäude ziehen mich vier magische Buchstaben: »LEGO« - lautet die Ausstellung. Und wer, wie ich, als kindlicher Baumeister ganze Nachmittage zwischen und mit diesen bunten Steinen gespielt und sich hunderte Male seine eigene Welt damit erschaffen hat, kann meine Begeisterung sicher nachvollziehen. Hier gibt es LEGO von A bis Z, von den ersten Anfangen simpler Plastik-Bausteine bis zur technisierten Spielzeugwelt von heute. Den kleinen Besuchern der Ausstellung steht ein Spielraum zur Verfügung, um dort nach Herzenslust in riesigen Kisten Abertausender Legosteine zu wühlen und Steinchen auf Steinchen zu stecken. An diesem Nachmittag hockt für einige Zeit ein ziemlich großes Kind unter einer Schar kleinerer und baut in hellster Freude einen Turm nach dem anderen. - Herrlich! Am liebsten würde ich mir sämtliche Taschen mit Legos anfüllen, so vernarrt bin ich wieder in diese Dinger.
Die anderen Ausstellungen nehmen wir quasi im Vorübergehen mit, bevor wir erledigt aus den Salinen trotten. Das war knapp am Rande der Übertreibung, noch dazu an einem siebten Tage, an solchem der Herr zur Ruhe gemahnte. Eine halbe Stunde in der prallen Sonne bei einem K.O.-Kaffee, und wir hängen wie zusammengesunkene Marionetten in unseren Stühlen. Gottlob winkt uns im sieben Kilometer entfernten Port Lesney ein Campingplatz. Und was für einer: direkt am Ufer der rauschenden Loue, unter alten Bäumen auf blätterübersäter Wiese und niemand in unmittelbarer Rufweite. Einfach super! Zwei Nächte bleiben wir auf jeden Fall.
Als wir frühmorgens aus den Federn kriechen, dampft der Fluß wie heißes Wasser. Sein abenteuerliches Wackersteinufer macht die Entscheidung für oder gegen einen Ausflug schwer, doch wir wollen am frühen Nachmittag zurückkehren, um den vorgezogenen Feierabend mit einigem Lesestoff an der Loue zu bringen. Sobald die ersten Sonnenstrahlen mit dem Morgennebel aufgeräumt haben, werfen wir unseren Jockl an. Die elf Kilometer nach Arbois knattern wir in schönstem Montagsfrieden ab, selbst auf der vierspurigen Rennpiste der N83 rührt und regt sich kaum Verkehr, obwohl der kadavergesäumte Straßenrand diese Ruhe Lügen straft.
Ein »frisches« Füchslein, zerstückelte Hasen, zerfledderte Vögel und geplättete Igel - so sieht die wenig waidgerecht erlegte Ausbeute dieser Strecke aus. Und doch ist sie nur ein Bruchteil eines ganzen Tierfriedhofes, den wir während der vergangenen Monate zu sehen und zu riechen bekamen. Um jedes Tier tat es uns leid, und oft genug hielten wir bei äußerlich unversehrten Opfern an, um nachzusehen, ob das jeweilige Tier nicht schwerverletzt noch am Leben wäre. Es war keines dabei!
Das entzückende Arbois bringt uns wieder auf andere Gedanken. Im Schutze der Weinberge schmiegt sich das kleine Städtchen mit seinen steilen Dächern, die hohe Kamine überragen, ins Tal der Cuisance. Geprägt wird das Spitzwegidyll vom Zwiebelturm der Pfarrkirche, die sich außerhalb des Zentrums befindet und von der Place de la Liberté kommend, über eine alte Brücke über die träge Cuisance zu erreichen ist. Der Grund für unsere Fahrt hierher - das Wohnhaus der Familie Pasteur, in dem der kleine Louis seine Kindheit verbrachte -, wäre uns wohl einen Besuch wert, doch kann das Haus nur mit Führung besichtigt werden. Nichts für uns, diese ermüdenden, fremdsprachigen Erklärungen haben uns schon zur Genüge gelangweilt. Lieber verkrümeln wir uns ins Hinterland, hinauf in abgeschiedene Höhen und auf kurvigen Wegen durch Pfaffenhütchenbeschaulichkeit nach Salin-les-Bains - 15 Kilometer Herbst in seinen schönsten Farben und in seiner stillsten, wärmsten Wohligkeit.
Kurz vor Salins, bevor sich die Straße wieder ins Tal senkt, fallen unsere Blicke auf zwei Forts, die einander gegenüberliegend, die Talenge bewachen.
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