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Mit Jockl nach Santiago

Mit Jockl nach Santiago

Titel: Mit Jockl nach Santiago Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heide Fürböck
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abwechslungsreichen Fassaden, wenige kleine Plätze, ein »Wiener-Café« in Jugendstilmanier und eine allgemeine Überschaubarkeit, die Pontarlier eher ein ländliches, denn ein städtisches Gepräge verleihen, machen sie auch ohne kulturelle Schwerpunkte zu einer sympathischen Stadt. Umso mehr, als wir hier übernachten wollen. Im Tourist-Office erkundigen wir uns nach der Adresse des ganzjährig geöffneten Campingplatzes und erfahren, daß dieser geschlossen hat. Toll! Daß sich der nächste Platz eine Fahrstunde südlich von Pontarlier befände und angeblich noch geöffnet sei, tröstet auch nicht recht. Diese unerquicklichen Informationen müssen wir erst einmal verdauen, am besten mit Marzipantorte und schlürfigem Kaffee. Leicht verstimmt, beratschlagen wir dabei die gegebenen Tatsachen. Da wir beide nicht die geringste Lust verspüren, heute noch wegen eines unsicheren Zeltplatzes zu einer Sondertour zu starten, suchen wir, einer Eingebung folgend, an den Hängen der Larmont-Berge den Campingplatz von Pontarlier auf. Und siehe da, man läßt uns ein, wenn auch nur für eine Nacht, da morgen die Saison endet. Da werde einer schlau aus diesem verworrenen Öffnungszeitenzirkus. Aber was soll’s, unseren Bedürfnissen ist Genüge getan, mehr wollen und brauchen wir nicht.
    Im kleinen Kreis einiger anderer Camper schwelgen wir in sechs Kilometer Luftlinie zur Schweizer Grenze in himmlischer Almruhe. Weit hinter Pontarlier sinkt die Sonne im Farbenrausch einer wolkigen Szenerie auf den Horizont und verläßt, vom Tal herauf lange Schatten malend, die eine eindringliche Kühle hinterher ziehen, die Bildfläche.
     
    Die Putzeimer blockieren bereits die Gänge in den sanitären Anlagen, als wir anderntags zur Abfahrt rüsten. Für unser tropfnasses Zelt suchen wir umsonst nach einem sonnigen Fleck, da das Camp zu dieser Stunde noch ungünstig im Bergschatten hegt. Also packen wir ein, was herumliegt und schwirren ab.
    Das Frühstück sparen wir uns und steuern gleich unser heutiges Ziel an, für das es gestern bereits zu spät war: Fort de Joux, eine streitbare Feste, vier Kilometer südlich von Pontarlier, sieben Kilometer westlich der Grenze zur Schweiz, hoch über einem engen Taleingang des Jura. Auf einer Höhe von mehr als hundert Metern über dem Talboden gegenüber der Burg Larmont umfaßt sie samt den in fünf Stufen ansteigenden Befestigungsmauern eine Fläche von zwei Hektar. Eine einspurige Straße windet sich in etlichen Kurven zum Fort hinauf, das so abweisend wie schutzgebietend wirkt; in der Tat ein trutziger Brocken, den wir uns da vorgenommen haben. Zu jeder vollen Stunde tut sich wie nach einem »Sesam-öffhe-dich« das Tor auf, und eine Handvoll Besucher verschwindet dahinter zu einer einstündigen Führung in französischer Sprache, allerdings mit deutschem Begleittext. Die Festung, deren Gründung auf das 11. Jahrhundert zurückgeht, als »romantisch« zu bezeichnen, so wie es in einer Beschreibung zu lesen stand, trifft absolut daneben. Eine reine Militärfestung wie Fort de Joux mit diesem Adjekiv zu belegen, hieße für König Ludwigs Neuschwanstein eine neue Wortkreation schöpfen zu müssen, um den Märchenbau gemessen an Fort de Joux treffend zu beschreiben.
    Die Feste bietet nichts für Gemüter, die sich nur für Spitztürmchen, Rosenbögen, Erker, Söller und Efeuranken erwärmen können. Militärischer Drill war hier einst angesagt, und während der Französischen Revolution und später unter dem Empire befand sich in diesen fast vier Metern dicken Mauern das Staatsgefängnis, in dem auch der eingekerkerte Mirabeau für einige Zeit sein Dasein fristete. Die äußere Strenge der Burg mit ihren kubischen Formen findet in der spartanischen Kargheit ihres Inneren eine Fortsetzung. Über Zugbrücken, vorbei an Kasernen, über Höfe und Stiegen, hinauf auf eine Aussichtsterrasse und weiter durch ein Labyrinth zumeist unmöblierter, kalter Räume und Säle, durch Winkelgänge, Gewölbekeller und Verliese und über eine Endloswendeltreppe hinunter in einen 35 m tiefen Stollen bietet sich genügend Gelegenheit, um sich in Kürze zu verirren. Den gruftigen Schauder, der dem Gemäuer überall anhaftet, rundet die 120-Meter-Tiefe eines Brunnens in geradezu be-s-t-ü-r-z-e-n-der Weise ab.
    Zu den erwähnenswerten Besonderheiten der Festung zählt im allgemeinen das Waffenmuseum, doch dem Arsenal an Musketen, Säbeln und sonstigen Mordinstrumenten schenke ich im Vorbeigehen nur soviel

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