Mit Jockl nach Santiago
wenig, daß wir zahlen und gehen, die Zwangsinfusion zeigt bereits Wirkung!
An der ehemaligen Landvogtei klopfen wir an, um das sogenannte Sundgau- Museum zu besuchen. Umsonst, erst im nächsten Frühling öffnen hier die Pforten wieder. Eine Ausstellung zeitgenössischer Chaos-Kunst im selben Hause böte sich als Ersatz an. Nein, danke! Mir genügt unser beider Chaos - mehr Kunst in dieser Richtung drückte mir nur aufs Gemüt.
Von Altkirch, das wir unter weiteren Regenfahnen zurücklassen, steuern wir einer sonnigeren Gegend zu und beziehen schließlich nach zwölf Kilometern in Heimsbrunn für zwei Nächte ein angenehmes Campingquartier. Heimsbrunn liegt günstig, nur fünf Kilometer von der Stadt Mülhausen (Mulhouse) entfernt, der wir tags darauf eine Stippvisite abstatten wollen.
Mülhausen bezirzt nicht gerade mit malerischen Ansichten. Mit Ausnahme der Place de la Réunion, die einige historische Gebäude umstehen, quält die Stadt unser Auge mit nüchterner Moderne und selbstverständlich jeder Menge Industrie und noch mehr Verkehr. Dieser wird uns gleich bei der Anfahrt zum Verhängnis - einmal falsch eingereiht, und schon begeben wir uns, gegen unseren Willen und unentrinnbar, wieder stadtauswärts. Mülhausen will uns nicht, sie spuckt uns aus wie unliebsame Eindringlinge, doch wir kurven den Stadtrand solange ab, bis sich ein Schlupfloch ins Zentrum auftut. Was macht also Mühlhausen so interessant, daß sich eine gewisse Hartnäckigkeit lohnt? Ganz einfach, es sind ihre zum Teil recht ungewöhnlichen Museen, die wir alle bereits kennen: das Stoffdruckmuseum, das Papiermuseum im Vorort Rixheim, das hervorragende Französische Eisenbahnmuseum, das Feuerwehrmuseum sowie das Automobilmuseum. Letzteres gab den Anstoß, uns nochmals den Horror von Mülhausen zuzumuten. An dieser außergewöhnlichen Oldtimer-Sammlung der Gebrüder Schlumpf mit über 500 Fahrzeugen führt nur schwer ein Weg vorbei. Auf 20.000 m 2 einer ehemaligen Wollspinnerei, die die Schlumpf-Brothers ihrer Sammelwut geopfert haben, glänzen und funkeln heute unter einem Wald schnörkeliger, gußeisener Straßenlaternen Millionenwerte der renommiertesten Automarken. Und wie diese, so funkeln auch unsere Augen, denn kein gegenwärtiges, trendgestyltes Turbogeschoß kauft auch nur einem dieser grazilen Wägelchen und formvollendeten Prestige-Limousinen die Schau ab. Wer auf Bugatti schwört, soll sich der Bequemlichkeit halber ein Klapphockerchen mitbringen, denn das lange Stehen vor Ettore Bugattis blitzblauem »Royale« geht in die Knochen. Was dem einen sein Rolls-Royce, ist dem anderen sein Ferrari, Maserati oder eben sein Bugatti. Wir hingegen schwören nach wie vor auf unseren Traktori.
Mülhausen kostet uns Zeit und Nerven. Nachdem wir uns professionell in die Innenstadt navigiert haben, um dort die Fußgängerzone ihrer Bestimmung gemäß zu benützen, kreisen wir karussellartig in ewig gleichen Runden durch die Stadt, in der Hoffnung, die Fliehkraft würde uns irgendwann aus dieser innerstädtischen Einbahnfalle schleudern. Als uns das Einklinken in die richtige Spur dann endlich gelungen ist, brauchen wir nur noch im endlosen Stau der Rush-Hour Zentimeter für Zentimeter stadtauswärts zu kriechen.
In Heimsbrunn tröpfelt es am Morgen, in Reiningue zweieinhalb Kilometer weiter mischen Sonne und ein kurzer Schauer die Farben für einen kräftigen Regenbogen an. Im sieben Kilometer entfernten Wittelsheim geht ein Sprühregen nieder, der uns in ein kleines Café am Hauptplatz scheucht, der Lautstärke nach ein türkisches Bazar-Café. Wegen des abgehaltenen Markttages platzt die Hütte bald aus allen Nähten, und noch immer schieben und drängen sich unentwegt Leute zur Tür herein. Unsere Unterhaltung erlahmt schnell im Geschrei, Gelächter und Stuhlgerücke der übrigen Gäste. Platz wird für jeden gemacht, wenn er es erst einmal bis über die Türschwelle geschafft hat, alles weitere findet sich. Währenddessen nimmt ein leichter Wind das Gewölk nach Osten mit und verteilt es regelmäßig über Mülhausen und dahinter. Ein Blick auf die Landkarte, wo unsere abgespulten Meilen rot nachgezeichnet sind, genügt, um uns zu bestätigen, daß sich hier in Wittelsheim der Kreis unserer Rundreise schließt. Vor rund 20 Wochen haben wir diesen Ort, vom Oberelsässischen Freilichtmuseum bei Pulversheim kommend, bereits einmal passiert.
Alten Pfaden folgend, wechseln wir nach neun Kilometern auf die vierspurige N83 nach Rouffach,
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