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Mit Jockl nach Santiago

Mit Jockl nach Santiago

Titel: Mit Jockl nach Santiago Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heide Fürböck
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um die jeweiligen Länder als »besucht« abzuhaken. Eine Cola im Airport-Café von Lima, ein Gang aufs Örtchen im Transit von Delhi oder ein 20-Minuten-Wachschlaf an einem Flugsteig in Karachi; da können wir mit unserem Schweizer Zentimeter doch ganz gut mithalten, oder?
    Wieder auf französischem Terrain und damit endgültig in elsässischem Schoß, halten wir einen Abstecher zur Burg Morimont noch für eine gute Idee. Auf halben Weg sackt unser Unternehmungsgeist in sich zusammen, und wir drehen um. Eine seltene Unlust bemächtigt sich unser, sicher auch geschürt von schlichten Ortsschildern am Straßenrand, deren Namen bereits so vertraut klingen, als befanden wir uns auf einer Rundreise durch heimische Gefilde. Für Oberlarg, Winkel, Liebsdorf, Hippoltskirch und Bendorf haben wir nur ein schweres Seufzen übrig. Das weithin bekannte Bauernhofmuseum von Oltingue reizt uns nicht, Ferrette mit seiner beherrschenden Burgruine Hohenpfirt auch nicht. Gelangweilt strolchen wir herum, spähen leeren Blickes in Auslagen, kreuzen mehrmals ziellos die Straße und kehren unverrichteter Dinge zum Jockl zurück. Die sehenswerte romanische Dorfkirche von Feldbach, sechs Kilometer nordwestlich von Ferrette, entfacht noch einmal für wenige Minuten unsere alte Begeisterung. Der Rest der Fahrt bis Seppois-le-Bas krönt Schweigen. Die gerade Straße säumen Obstbäume und ein matschig-fruchtiges Band aus hart auf den Asphalt aufgeschlagenen, zerplatzen Äpfeln und Zwetschken. Rauch von Gartenfeuern erfüllt die Luft, und ich gebe mich ganz und gar meinen immer wiederkehrenden Herbstgefühlen hin; sie waren eindeutig das Beste an diesem Tag.
     
    Da haben wir das Unausweichliche: die Bäckerin unterhält sich mit einer Kundin - in deutsch! Die heimatlichen Krakenarme tasten nach uns. Und wie um das abzuwehren, verlangen wir unsere Frühstückszutaten trotzdem in französisch, auch wenn sich unsere Aussprache noch so hölzern über die Zunge bewegt.
    Einer relativ warmen Nacht, befeuchtet von einigen Regentropfen, schließt sich am Tag ein wankelmütiges Wetter an - mal sonnig, mal regengrau. Doch ob grau oder nicht, die einzelnen Orte bezaubern bei jedem Wetter und nicht wenige wären Bildbände wert. Einer davon gebührte auf jeden Fall Hindiingen und ein anderer Gommersdorf, einem Straßendorf in unmittelbarer Nachbarschaft von Dannemarie. Vorbildliche Arbeit zur Erhaltung der alten Gebäude leistet hier der Verein »Bauernhäuser im Elsaß«; selten ein Haus, ein Gehöft, das nicht mit Aufwand und Sachkenntnis restauriert worden ist bzw. von seinen Besitzern in einem Originalzustand gehalten und gepflegt wird, der jedem Fachwerkliebhaber das Herz weiten muß. Da steht man dann vor den Zeugnissen elsässischen Bauerntums, ihrer heiteren Fachwerkbuntheit, die nur noch von einer farbigen Blumenpracht an Fenstern und in Gärten übertroffen wird und kann seine Freude darüber kaum in Worte fassen.
    Noch steht Altkirch aus, ein Gedicht barocker Fassaden und mittelalterlicher Gassen, Hauptstadt und Perle des Sundgaues. Mitten aus dem unbesiedelten Wiesengrün kommend, taucht das auf einer Anhöhe liegende Altkirch zunächst ohne besonderen Reiz vor uns auf. Das nicht sehr schmeichelhafte Bild verdankt sie einer Fabrik am Fuße der Stadt, die mit ihrer Ungetümen Anlage eine ordentliche Narbe in die Landschaft schlägt. Doch sobald wir dem Industrie-Moloch den Rücken zukehren können, hat Altkirch gewonnen. Entlang hübscher Häuser wandern wir gassenaufwärts dem Zentrum zu, was schon eine Weile dauert, da wir fast jede Fachwerkfassade und jedes originelle Hauseck gebührend kommentieren müssen. Krumm die Mauern, steil die Gassen, was kann uns also noch mehr begeistern. Der überraschend großzügige Hauptplatz im Zentrum kann dies mit Rathaus und noblen Bürgerhäusern in Gotik und Barock. Hier paßt er dann auch ganz gut her - der Platzregen, der sich plötzlich über uns ergießt, als hätte jemand einen Wasserhahn aufgedreht. Wir flüchten in einen nahen »salon de thé«, um den nassen Segen abzuwarten. Die Zuckerwürfel sinken gerade auf den Grund der Kaffeetassen, als zum wiederholten Male vertraute Sprachmodulierungen an unsere Ohren dringen -
    Deutsch! Und wie gehabt, finden wir uns in einer Situation, in der unser Bewußtsein ein Verstehen der gehörten Sätze stante pede boykottieren möchte. Doch die Worte dringen ein, wie die Flüssigkeit einer Infusion - Tropfen für Tropfen, unaufhaltsam. Da nützt es nur mehr

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