Mit Jockl nach Santiago
Wagnerei, Ölmühle, Schusterei sowie eine kleine Schule; und alles wird man auf einem ausgedehnten, vorgegebenen Rundgang kennen lernen und dabei ganz gewiss keine Minute Langeweile verspüren. Fast überall in den Häusern sieht sich der Besucher auf kürzeste Distanz ins jeweilige Handwerksgeschehen miteinbezogen beziehungsweise kann zusehen, wie getöpfert, gekocht, geschmiedet und Schnaps gebrannt wird. Kinder spielen mit den Stallhasen, bestaunen eine Riesenmuttersau samt ihrem Wurf schmatzender Ferkel an den Zitzen oder versuchen einen ewig krähenden, freilaufenden Hahn und seine Gespielinnen zu fangen. So sehr uns das alles begeistert, so erschöpft fallen wir am Ende der Tour auf eine Bank und lassen den ganzen Besucherstrom unbeteiligt an uns vorbeifluten. An einem sonnigen Sonntagnachmittag einen Ausflug ins familienfreundliche Ecomusée von Pulversheim zu unternehmen, setzt auch die Familienfreundlichkeit, um nicht zu sagen -tauglichkeit, eines Singles voraus, will er nicht angesichts plärrender Babys, tobender Kinder, genervter Mütter und hinderlicher Kinderwägen seine möglicherweise gute Laune opfern. Bevor es soweit kommt - und erste Anzeichen sprechen dafür - räumen wir das Feld. Zuvor aber verschnabulieren wir in der dampfenden und fettzischenden Museumsküche noch staubgezuckerte Kostproben gebackener Hollunder-Strauben.
Endlich wieder den Jockl unter dem Hintern setzen wir die Fahrt über Pulversheim und Wittelsheim nach Cernay fort, wo wir uns schon auf einen frühen Feierabend am Campingplatz freuen. In diesem Fall soll die Freude nicht unser sein, und das liegt erwiesenermaßen an der Vier-Stern-Verblendung des Campingplatzbesitzes, welcher uns auf der Schwelle zu seinem Garten Eden hinausweist wie der Herrgott Adam und Eva. Der gute Mann - nein, er ist nicht gut, er sieht sogar sehr unsympathisch aus - mustert uns wie Wegelagerer und zeigt sich in Worten und Gesten völlig entrüstet von unserem Ansinnen, ja unserer absurden Idee, auf seinem Rasen nächtigen zu wollen. Mit diesem abscheulichen Gefährt? - Und diesen Reifen? - Nein, unmöglich! Ein Blick über das golfrasengepflegte Gelände zu den tonnenschweren Luxuskarossen - mobile Ferienvillen - genügt, um zu wissen, daß wir hier nicht nur mit Jockls Reifeneindrücken einen denkbar schlechten Eindruck machen. Schon gut - das Pack schert sich zum Kuckuck. Die blaue Stunde findet heute also nicht statt, zumindest nicht in Cernay. Wir drehen am Stand um, und Jockl nebelt den Ungnädigen mit einer wunderbar gelungenen Wolke ein. Schade, daß wir ihn nicht mehr husten hören. Das war die Rache! Doch wahrscheinlich hat uns der unfreundliche Herr noch einige Verwünschungen hinterhergeschickt, denn auf der Weiterfahrt fällt plötzlich der rechte Blinker aus. Und ausgerechnet jetzt wechseln wir bei Thann auf die verkehrsreiche N66-E512. Zum Glück finden wir einige Kilometer außerhalb von Willer-sur-Thur einen Campingplatz nach unserem Geschmack. Ein nettes Mädel weist uns ein sonniges Plätzchen zu. Gleich daneben plätschert ein kleiner Bach, und im Geäst des angrenzenden Waldes formieren sich die Willerschen Vogelchöre; ein Kuckuck ist allerdings nicht dabei.
Die Blinkerreparatur gestern Abend hat nichts gefruchtet, und wir müssen den Jockl baldmöglichst einem Fachkundigen überlassen. Nur bei wem? Wir probieren es gleich bei einer Renault-Werkstätte in Willer-sur-Thur, die entgegen der allgemeinen Montagsruhe geöffnet hat. Ein Eicher bei Renault - welch eine Gegenüberstellung. Die Overall-Herren zeigen sich erstaunt, doch hilfsbereit; als ihre Reparaturversuche fehlschlagen, vermitteln sie uns an eine Kfz-Werkstätte in Vieux-Thann weiter, die den Defekt beheben würde. Um das heutige Suchprogramm gleich wieder ordentlich anlaufen zu lassen, suchen wir also die Firma Blondel und nebenbei, wegen akuten Geldmangels, auch einen Bankomaten. In einem Kfz-Supermarkt erstehen wir schließlich auch eine lang gesuchte »Rundumblinkleuchte«, wie man sie von orange- und blaublinkenden Einsatzfahrzeugen her kennt. Auf allen öffentlichen Straßen in Frankreich - wie wir später erfahren werden auch in Spanien und Portugal - müssen Kraftfahrzeuge mit einer Bauartgeschwindigkeit unter 30 km/h damit ausgerüstet sein.
In Thann erholen wir uns bei Kaffee und Croissants vom finanziellen Verlust einer schönen Stange Louisdor. Die ganze Reparatur-Aktion plus Sucherei hat uns außerdem viel Zeit gekostet, so daß wir dem hübschen
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