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Mit Jockl nach Santiago

Mit Jockl nach Santiago

Titel: Mit Jockl nach Santiago Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heide Fürböck
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wir eine, in den Gebäuden einer ausgedienten Mühle untergebrachte, Insektenfarm, eine recht wenig publikumsreife Sensation - als die sie sich jedoch in Prospekten anpreist - mit ein paar spärlichen Exemplaren von Spinnen, Bienen, Gespenst- und Stabheuschrecken; insgesamt mehr ein Zweizimmerzoo als Farm. Doch hierher war es für uns ja kein Umweg, und so setzen wir die Fahrt über Buhl nach Murbach fort, wo in einem kleinen bewaldeten Tal die stattlichen Reste einer ehemaligen Abtei für Furore sorgen. Die beiden unversehrten bombastischen Turmbauten fungieren heute als eine Art Hochzeitskapelle. Und wie zum sichtbaren Beweis begegnet uns auf dem Weg zur Kirche eine ausgelassene Hochzeitsgesellschaft; das heißt, wir haben Glück, eine noch offene Kirchenpforte vorzufinden. Bald hat sich der Trubel verflüchtigt; die letzten Autos mit Gästen sind ins Walddunkel eingetaucht, und das Örtchen versinkt wieder in Stille und Abgeschiedenheit.
    Bis zum Ziel unseres heutigen Tages steht uns noch eine gute Stunde Fahrt bevor, ehe wir uns in die Abgeschiedenheit unseres Zeltes verbarrikadieren können. Und auch das wird bei einem interessanten Städtchen wie Rouffach (Rufach) kaum so schnell möglich sein. Noch in der aufkommenden Dämmerung strolchen wir durch die Gassen mit ihren vielen leer stehenden Häusern. Breite Toreinfahrten und Fassadenschmuck künden von besseren Zeiten, und in den verlassenen Winzergehöften lagern Müll und Plunder, darunter sicher so mach’ antikes Stück. Alles in allem wirkt die Stadt wie dem Vergessen anheim gegeben, unberührt vom Geschehen des auslaufenden Jahrtausends. Ungeachtet dessen bietet sie aber unzählige Details, unter anderem steinerne Türstürze mit eingemeißelten Jahreszahlen, herrschaftliche Holztore, gelegentlich etwas Fachwerk, romantisch verwilderte Innenhöfe und am Marktplatz schließlich - kein Detail, sondern ein perfektes Ensemble aus Patrizierhäusern, Rathaus und Kornspeicher mit Voluten und Treppengiebeln und dahinter, wie vielerorts vorhanden, ein so genannter Hexenturm. Mit der gotischen Kirche Notre-Dame mitten am Hauptplatz, also praktisch vis-à-vis, heben wir uns das Beste zum Schluß auf. Der mächtige Bau, dessen unvollendete Türme der Stadt ihre unverwechselbare Silhouette verleihen, gehört zu den beeindruckendsten Sakralbauwerken am Oberrhein. Und damit lassen wir es für heute auch bewenden.
    Reichlich geschlaucht trotten wir zum Camp, das wir uns mit einem einzigen Wohnmobilisten teilen und richten unser Nest. Unweit von uns geht gerade ein Heißluftballon hinter der Stadtkulisse nieder, und zurück bleibt eine schwarze Wolkenfront quer über den ganzen Himmel.
     
    Nächsten Morgen bei Sonne besehen, wirkt Rouffach nicht mehr ganz so ausgestorben und vergessen. Das liegt vielleicht an der aufgeräumt heiteren Stimmung und am festlichen Anlass, der die Einwohner zielstrebig Richtung Kirche promenieren läßt. Erstkommunion wird abgehalten, und dementsprechend überfüllt finden wir die feierlich geschmückte Kirche und den Platz davor. Unsere angenagten Frühstücksbaguettes unter den Armen, schieben wir uns durch das Gedränge zum Ort des Geschehens vor. Behaglich fühle ich mich allerdings nicht zwischen den toupierten und parfümierten Damen in ihren blumigen Sommerkostümen, völlig in Anspruch genommen vom geschäftigen Zurechtrichten und Zurechtweisen ihrer geschniegelten Sprösslinge. Hier bin ich in jeder Hinsicht fehl am Platz, und diese Erkenntnis läßt mich schnurstracks wieder ins Freie kämpfen. Draußen vertilge ich, auf Wolfgang wartend, das sperrige Baguette, doch nicht nur wegen seiner Unhandlichkeit.
    Noch vor 12.00 Uhr rattern wir zur Stadt hinaus, die in all ihrem angeschlagenen Gepränge, ihrer Atmosphäre und ihren provinziell wirkenden Bewohnern eher an ein großes Dorf erinnert.
    Auf der N83 schleichen wir neben mäßigem Verkehr geradewegs Richtung Pulversheim, wo wir kurz vor dem Ort linkerhand zum stundenfüllenden Programmhöhepunkt dieses Tages einbiegen - dem Ecomusée de Haute Alsace, dem Freilichtmuseum des Oberelsass. Auf großem Areal stehen in lockerem Dorfgefüge typische Gehöfte der Region, vorwiegend Fachwerkbauten; liebevoll eingerichtet, mit allem dazugehörenden Hausrat, Werkzeug und landwirtschaftlichen Gerätschaften; umgeben von Gemüse- und Blumengärten und Wiesen, über die ungezählte Störche elegante Kreise ziehen. Das großartig in Schuss gehaltene Dorf komplettieren Schmiede, Töpferei,

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