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Mit Jockl nach Santiago

Mit Jockl nach Santiago

Titel: Mit Jockl nach Santiago Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heide Fürböck
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Verwirrung von Glaube und Hoffnung im Leimbad einer stets klingelnden Kasse will ich nichts zu tun haben. Auf dem Rückweg trabe ich wie mit Scheuklappen neben Wolfgang her, dabei klammert sich mein Blick wie aus Protest ausschließlich an der auf einer Felsspitze liegenden Burg von Lourdes fest, welcher wohl zu Unrecht die allerwenigste Aufmerksamkeit zuteil wird. Immer wieder staubt feiner Niesel herab, eigentlich sehr willkommen zum Beenden dieses Pleitebesuchs.
    Zurück am Camp haben wir inzwischen Wohnwagennachbarn aus Deutschland bekommen; ein nettes älteres Ehepaar, mit dem wir uns ausdauernd lange unterhalten. Erst verstärkt einsetzender Regen scheucht uns für den Rest des Abends in unsere Hütten.
     
    Ein zweiter Tag in Lourdes behagt uns gar nicht, in diesem Fall aber machen wir der Bequemlichkeit und der Packmüdigkeit ein kleines Zugeständnis. Es war keine gute Idee, das traute Heim unter Bäumen zu errichten, so trommelt es aus den Asten aufs Zeltdach, als würde die städtische Feuerwehr ihre Spritzübung absolvieren. Wolfgang hält das Mistwetter allerdings nicht von Unternehmungen ab. Als der Regen etwas schwächer wird, fahrt er nochmals nach Ossun zurück, um dort interessantes Bachsteine-Mauerwerk zu fotografieren und anschließend in Tarbes die Baumärkte nach verschiedenen Notwendigkeiten abzuklappern.
    Umgeben vom Chaos unseres Hausrats, den nassen Wänden unseres Zeltes und den Regenfahnen um Lourdes schreibe ich sonnige Kartengrüße an alle, die uns um unsere tolle Fahrt beneiden. Wenn sie wüßten! Der Regen dauert an und keine Aussicht auf Besserung; ein kurzes Wolkenloch, hinter dem ich Bläuliches erahne, schließt sich so schnell, daß ich an eine optische Täuschung glaube. Der Rasen um unser Zelt wird seiner Schwammfunktion auch bald nicht mehr gerecht, und das Wasser beginnt sich in weiten Pfützen zu sammeln, aus denen die Grashalme wie zart sprießende Reispflänzchen hervorlugen. Unsere Nachbarn bleiben ebenfalls unsichtbar in ihrer Wohnbox eingebunkert. Die Stunden vergehen, der Regen nicht. Doch bevor sich Langeweile breitmachen kann, läßt mich mein unachtsamer Schutzengel nach einem regenflüchtenden Sprint vom entfernten Örtchen in einem halben Salto vor dem Zelt landen. In einem filmreifen Stolper- und Rutschmanöver halte ich mich in allen Details streng an das Vorbild des Absturzspezialisten Paulchen Panther. Noch jetzt fühle ich den flugähnlichen Schwung, mit dem ich nach Gestrampel in der Luft rücklings zum freien Fall ansetze und wie ein Mehlsack mitten in der Regenbrühe aufklatsche. Die Folge: Für Sekunden bleiben mir Luft und Sprache weg, und erst in einer halbbenommenen Reaktion krabble ich in der aufgeweichten Erde unseres Reisfeldes gebadet, braunbesudelt ins Zelt. Wie einfallsreich, hinterlasse ich doch wie eine schleimspurige Schnecke überall den Erdschlamm auf unserem Inventar. Aber mir ist so elend, daß mich das im Moment herzlich wenig kümmert. Bis Wolfgang am späteren Nachmittag kommt, hat sich mein Kreiselkopf soweit beruhigt und der Abend wird noch recht lustig.
    Zuerst stellen wir fest, daß unser Zeltboden dem ewigen Wasserbad nicht länger trotzen will; feuchte Flecken bilden sich überall, die sich im Laufe der Zeit zu kleinen Lacken verabreden und um alles sammeln, das schwerer ist, als das Gewebe des Zeltbodens. Bald liegen unsere Iso-Matten in einheitlichem Naß, und da wir nicht annehmen, daß sie als Luftmatratzen taugen, legen wir Zeitungen und Illustrierte darunter, die in Kürze das Stadium eines Zellulosebreis erreichen. Auf Plastiksäcken türmen wir unsere Gewandung und alles, was wir noch brauchen und morgen nicht in ertränktem Zustand zum Müll wandern soll. Aber jeder Gang nach draußen bringt neue Nässe herein. Irgendwann in der Nacht gelingt es mir, auch ohne Zutun der Witterung unsere Ausrüstung zu wässern, in dem ich eine Weithalsflasche in dringlichen Nöten zum Campingpissoir degradiere und leider dabei mein angepeiltes Ziel verfehle. Schlafsack und Isomattenbezug müssen die ungebremste Taufe über sich ergehen lassen. So eine verdammte Bescherung und das ohne Pampers im Vorrat! Na, na - wer wird denn gleich in die Luft gehen, greife lieber zu einem halben Dutzend Schwammtücher! Die Nacht ist ohnedies gelaufen. Regelmäßig kontrollieren wir den Pegelstand draußen und drinnen und befühlen die Konsistenz des Zeitungsbreies. Gegen Morgen kauern wir wie zwei Schiffbrüchige auf unseren Matteninseln und können

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