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Mit Jockl nach Santiago

Mit Jockl nach Santiago

Titel: Mit Jockl nach Santiago Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heide Fürböck
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Mielan herrscht Totenstille - entweder die Einwohner gedenken noch immer des vor zwei Tagen zuvor verstorbenen großartigen Jacques Cousteau oder was sonst lahmt den Ort? In den geöffneten Läden wie Metzger, Bäckereien, Lebensmittelladen, Frisör und einem Modegeschäft sehen wir weder Kundschaft noch Verkäufer; selbst die Gassen gehören ausnahmslos den herumstreunenden Katzen; allein ein gequältes Aufjammern eines Mopeds und das Schwächerwerden seines Geknatters *n der Ferne deutet auf menschliche Anwesenheit, denn wir nehmen nicht an, daß das Moped von selbst das Weite gesucht hat. Die Entdeckung von Wesen unserer Art findet wie immer in der Dorfbar statt, in diesem Fall eine schummrige Höhle, in der wir über dem Wetterbericht der Tageszeitung unseren Kaffee schlürfen. Allgemeine Prognose: Das Wetter wird schlecht; der Kaffee ist es!
    Gar wenig aufgemuntert, vermummen wir uns winddicht. Heute klappe ich sogar den bislang ungenutzten Gehörschutz über meine Ohren, den uns mein Vater in Sorge um unsere, jeder Witterung ausgesetzten, Löffel mitgegeben hat. In ziemlich rascher Fahrt erreichen wir Rabastens-de-Bigorre und in weiterer Folge auf der schnurgeraden N21 die Abzweigung nach Bours. Erstmals türmen sich hier die Pyrenäen klar und deutlich vor uns auf, wolkenbehaubt und wenig einladend, während der übrige Himmel zwischen weißgrauen Wattewolken sein letztes Blau zu kargen sommerlichen Eindrücken aktiviert. Vor uns liegt die Stadt Tarbes, die wir ab Bour großräumig umfahren und deshalb einige hübsche Dörfer kennenlernen. An Bauweise und Baustil stellen wir im Gegensatz zu all den hinter uns liegenden Orten eine markante Veränderung fest: Mauern aus gewöhnlichen Bachsteinen, die entweder beliebig durcheinander oder auch akkurat zu abwechselnd groß- und kleinsteinigen Reihen geschichtet, zu Wohnhäusern, Höfen und Stallungen vermauert wurden. In der Ländlichkeit des Pyrenäenvorlandes, auf halbem Weg zwischen Tarbes und Lourdes verdient der Ort Ossun besondere Erwähnung; seine Häuser prangen in Größen oberösterreichischer Vierkanthöfe, deren bröckelnder Charme wunderbar mit prächtigen Blumen- und üppigen Gemüsegärten harmoniert. Hier rücken im Hintergrund die Talfurchen der Pyrenäen allmählich in Sichtweite, und schweres Gewölk über den Bergkämmen kündet unabänderlich den vorausgesagten Wetterumschwung an.
    Die letzten Kilometer wieder auf die N21 zurückgekehrt, bringen uns zügig nach Lourdes, wo wir vor der Stadt, unweit der Straße, einen von Lourdes’ Campingplätzen ansteuern. Erste Nieselschleier prophezeien das kommende Naß. Wir lassen uns deswegen jedoch nicht aus dem Konzept bringen, sondern stellen unser Zelt auf und rattern im Feierabendrun in die umtriebige City.
    Der Name Lourdes hat in mir nie Besuchswünsche oder irgendwelche religionsbezogene Sehnsüchte geweckt, trotzdem bin ich neugierig auf die Stadt und ihren Ruf als größter Wallfahrtsort Frankreichs. Und was soll ich sagen: Ich bin schockiert, ja regelrecht angewidert ob diesem ungeheuerlichen Souvenirspektakel. Sicher bringen es berühmte Wallfahrtsorte wie Altötting, Einsiedeln oder Mariazell auch zu allerhand haarsträubendem Wallfahrtsmüll, und dementsprechend geimpft, sehe ich einer Begegnung mit Lourdes entgegen. Umsonst! Gegen soviel Quatsch und penetrante Vermarktung wurde noch kein Serum entwickelt. Ganze Straßenzüge klimpern und glitzern in Muttergottes-Blech; Plastikkanister in allen Größen zum Transport des heiltätigen Wassers stapeln sich auf den Gehsteigen; in wahren Alleen reihen sich bis zum Überdruß hellblau bemäntelte Muttergottes-Statuen; Rosenkränze, Büdchen, Kerzchen, Kettchen, Kreuzchen und alles, was sich mit dem liebreizenden Antlitz Mariens bedrucken, besticken und bemalen läßt, findet Absatz. Was ich in dieser unglaublichen Fülle leider nicht gefunden habe, ist ein nettes Spazierstöckchen in einer künstlerisch manieristisch überlängten Marienform mit einer Heiliggeist-Taube als elfenbeinfarbenen Plastikgriff. Schade, gerade das hätte mir gefallen, und es hätte auch so gut zu Lourdes gepaßt mit seinen Reisebus Wallfahrern, seiner übersatten Wunderaura und den lächerlichen Verehrungsriten. Natürlich latschen wir in rudeliger Eintracht mit den Besucherscharen zur Basilika, die wie eine Präsidentenvilla observiert wird und schreiten in einer Kette Betender an der Grotte vorbei. Im Geiste aber habe ich bereits dichtgemacht. Mit dieser Verirrung und

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