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Mit Jockl nach Santiago

Mit Jockl nach Santiago

Titel: Mit Jockl nach Santiago Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heide Fürböck
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Gesprächsfetzen, das von niemanden beachtete Gequassel aus dem unvermeidlichen Fernseher sowie das zischende Gebrutzel aus der kleinen Küche schrauben sich wie Gehörpfropfen in die Ohren und lassen uns in eine leichte Taubheit abgleiten. Gelegentlich sehen wir draußen nach dem Stand des Wetters und bunkern dabei eine Lunge voll Frischluft, ehe wir vom Geräuscheintopf erneut absorbiert werden.
    Als der Regen in leichten Niesel übergeht, schmeißen wir uns wohl oder übel in unsere Regenkluft und starten zu einer konfrontationsreichen Talfahrt. Der Verkehr donnert, ungeachtet des Gefälles und der Kurven, in beängstigendem Tempo knapp an uns vorbei. Manchmal so knapp, daß ich meine Regenjacke fester um mich spanne, damit sie in ihrer Windaufgeblähtheit nicht mit diversen Außenspiegeln in Tuchfühlung gerät. Ein abgasstickiger, grobbehauener Tunnel am Torre del Bierzo treibt uns zur Nieselnässe noch den Erstickungsschweiß aus den Poren - ein wahrer Horrortrip! Ich bewundere Wolfgangs souveränes Fahrverhalten; nicht die kniffligste Situation bringt ihn aus der Ruhe. Ich furchte, er hat sein abgetragenes Nervenkostüm irgendwo in einem Second-Hand-Shop verscherbelt oder schmaucht die ganze Zeit über Baldrian statt Tabak - seine unangemessene Ruhe macht mich nervös. Allmählich wandelt sich die Landschaft in eine irre Trostlosigkeit, die, so gewaltig, schon wieder einmalig zu nennen wäre. Dazu noch dieses deprimierende Wolkengrau, unter dem sich baumlose Bergmassen zu grandiosen, von tiefen Schluchten und Tälern zerklüfteten Barrieren türmen.
    Bald tauchen in der Feme die rauchenden Schlote der Ponferrada-Industrie auf, deren Spuren aus Kohle- und Erzhalden weite Landstriche überziehen. Eine letzte Steigung kündet schließlich die Stadt an, die jenseits der Berge im Tal des Río Sil angesiedelt ist. 35 Kilometer und zweieinhalb Stunden nach dem Manzanal-Paß, inklusive einer kurzen Pause, rollen wir durch greuliche Vorstadtindustrie nach Ponferrada hinein. Und schon wieder beschert uns ein Regenguß einen Baraufenthalt; nicht mehr lange, dann sprudeln mir die Milchkaffees literweise zu den Ohren raus. Die Stadt verleitet schon bei schönem Wetter kaum zu einem längeren Verweilen, erst recht nicht bei Regengepritschel. Wem Depressionen fremd sind, der miete sich in Ponferrada für vierzehn Tage ein und beobachte dabei seinen allmählichen psychischen Verfall, den auch ein Besuch des gefälligen wie gewaltigen Castillo des Tempelritterordens kaum verhindern wird können. Auf jeden Fall fühlen wir beide uns zu keiner Wiederkehr animiert.
    Wahrscheinlich trennt uns noch eine Fahrstunde vom Campingplatz, dessen Existenz und genaue Lage nicht gesichert bzw. nicht genau bekannt ist. Der Himmel hat sich mittlerweile zu solcher Dunkelheit verfinstert, daß Wolfgang Jockls Blendwerk einschalten muß. In den Bergen donnert es unaufhörlich und grelle Blitze schrecken uns auf. Eine von West nach Ost durchgehende Schwärze schiebt sich unaufhaltsam zu uns herüber, bald verschwinden auch die Berge hinter ihr und ein sagenhaftes Gewitter entzündet sich; die Erde bebt unter den Schnalzern und Taghelle flammt unter den Blitzen auf. Auf dem Weg nach Carracedelo warten wir unter dem Vordach eines Möbelgeschäftes den ärgsten Terror ab, bevor wir uns zwischen unaufhörlichen Regenböen weiterschmuggeln. Wider Erwarten finden wir das abgelegene Camp, einen feuchten, kaum frequentierten Platz zwischen den Wäldern des Bierzo. Der Campwart kann sich eines verhaltenen Schmunzelns nicht erwehren, als er uns weit nach 21.00 Uhr auf der Schotterstraße dahertuckern sieht. Es sei ihm vergönnt, hat er doch in dieser Einsamkeit wahrscheinlich wenig Gelegenheit, seine Lachfalten zu vertiefen.
     
    Eine regenreiche Nacht liegt hinter uns, und dementsprechend morastig sieht heute das Gelände aus, in dessen Pfützen sich Wald und Himmel spiegeln. Auch wenn sich die ersten Sonnenstrahlen hinter den Baumwipfeln hervorwagen, bleibe ich meinen Gummistiefeln treu. Wolfgang meint, ich solle damit nicht gar zu sehr übertreiben. Das tu’ ich auch nicht, ich treffe nur Vorsorge.
    Bis Villafranca del Bierzo hält sich das Wetter auch ganz gut. Wir durchfahren dabei das Bierzo, ein von Bergen abgeschirmtes, klimabegünstigtes und an Bodenschätzen reiches Becken, das seit alters her den Völkern als Getreide-, Gemüse-, Obst- und Weingarten dient; ein Gebiet, das in der oft kargen nordspanischen Landschaftspalette deshalb auch einen

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