Mit Jockl nach Santiago
Río Esla gelegenen Castillo aus dem 15. Jahrhundert verdankt.
Der Trubel der Stadt setzt sich am Campingplatz fort; ihn finden wir erst nach der sprichwörtlichen Stecknadel-im-Heuhaufen-Suche an der Straße nach Astorga. Um 20.00 Uhr mißt Wolfgang noch 30°C, und obwohl unser Jockl einen ziemlich maroden Eindruck macht, lassen wir uns zum Tagesausklang ein cremiges Helado in Valencia nicht entgehen. Die Wetterwalze ist inzwischen zu einer erschreckenden Atompilzform aufgelaufen, deren bauchige Ränder unter der dunklen Masse in einem leuchtenden Pink glimmen. Noch in der Nacht verraten zackige Blitze ihre bedrohliche Anwesenheit, doch das befürchtete Unwetter bleibt aus.
Wider Erwarten begrüßt uns blitzblauer Himmel; wenigstens etwas Positives an diesem Morgen. Mit Jockl wird’s nicht mehr lange so weitergehen und mit mir auch nicht, denn beim Anhören seines jämmerlichen Gewürges krieg’ ich Knöpfe im Magen. Ein Wunder, daß wir überhaupt vom Camp wegkommen und später von Valencia, nachdem wir uns für Kaffee und Einkäufe nochmals dort aufgehalten haben. Bei kleineren Stopps lassen wir nun den Motor weiterlaufen, um nicht plötzlich in der Einöde mit Jockls endgültigem Knockout konfrontiert zu werden. Eine Werkstätte muß her, und zwar noch heute. Ein längeres Hinausschieben bzw. Ignorieren des Problems wird sich sonst bald rächen.
Sechs Kilometer nach der Brücke über den Río Esla passieren wir mit Villamanan noch besiedeltes Gebiet, dann führt die Straße schnurgerade ins scheinbare Nichts, gesäumt von einem Flickenteppich bebauter Felder. Die Luft flirrt vor Hitze und macht das erste Auftauchen von Häusern in der Ferne irgendwie trügerisch. Doch die Fata-Morgana von Santa Maria del Páramo wird bald real und mit ihr eine Abkühlung in einer gutbesuchten Bar im Zentrum der kleinen Stadt. Die Übertragung eines Radrennens im Fernsehen bestreitet zusammen mit den Anwesenden genügend Krach, um auf eine Unterhaltung verzichten zu können. So lassen wir uns berieseln, während jeder neu eintretende Gast seine Blicke zuerst zu uns herüberschickt, bevor sie dem Mann hinter dem Tresen gelten. Wir fühlen uns leicht ins Visier genommen und zu sehr unter Beobachtung, deshalb brechen wir auch bald wieder auf. Jockl parkt in einer Seitengasse, so erzeugen wir bei unseren wiederholten Startversuchen keinerlei Aufsehen. Bevor wir unseren langgedienten Startknüppel endgültig zu Splittern schlagen, springt Jockls Lebens funke noch einmal über - wer weiß wie oft noch!
Es folgt eine Stunde Geradeausfahrt zwischen Getreide-, Sonnenblumen- und Maisfeldern, die ein regelmäßiges Netzwerk von Bewässerungskanälen durchzieht, darüber verlaufen in alle Richtungen schwer hängende Kabelbögen diverser Stromleitungen. Gelegentlich vorbeiziehende Pappelgruppen geben uns Gewißheit, daß wir uns in der gleichförmigen Landschaft doch fortbewegen. Schwalben und Störche spicken die blaue Glocke über uns; ein Wunder, daß sie in dieser Hitze nicht wie Dörrfleisch vom Himmel fallen.
Am frühen Nachmittag erreichen wir Hospital de Órbigo. Siestastimmung und 36°C im Schatten lähmen jede Aktivität; die Straßen gähnen vor Leere, und Scharen von Schwalben veranstalten ein unentwegtes, vielstimmiges Wett- und Tieffliegen durch die Häuserschneisen des Ortes. Hospital hat sich seit unserem letzten Besuch kaum verändert, selbst die damals schon katastrophale Zufahrtsstraße zum Dorf erfreut sich noch immer derselben Schlaglöcher - etwas größer und tiefer sind sie halt geworden, aber sonst vermissen wir nichts. Das Wahrzeichen des Ortes, die 20-bogige Brücke über den Río Órbigo steht seit über 700 Jahren felsenfest im breiten Flußbett, das im Moment nur von einem mageren Bächlein durchzogen wird. Sie gilt als eine der bedeutendsten Brückenwerke auf dem Jakobsweg, aber auch als eine der eigenwilligsten. In ihrem langen Zickzack-Verlauf verbindet sie auf verschieden hohen, mit Wellenbrechern ausgestatteten Bogenpfeilern die beiden Ufer ~ ein Bild wehrhafter Standfestigkeit.
Nahe dem Río Órbigo liegt auch der Campingplatz, auf dem wir schweißgebadet unsere Jurte aufstellen, in praller Sonne, da die wenigen Schattenplätze logischerweise schon belegt sind. Die Minuten schleppen sich wie Stunden, und die Hitze läßt uns zu tatenlosen nassen Haufen zusammenfallen. Am frühen Abend nimmt sich Wolfgang des kränkelnden Jockls an. Am Ortsrand haben wir bei der Herfahrt eine Werkstätte
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