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Mit Jockl nach Santiago

Mit Jockl nach Santiago

Titel: Mit Jockl nach Santiago Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heide Fürböck
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Ausbund an kultischem Firlefanz im Inneren der Kathedrale, der die Ernsthaftigkeit und Glaubwürdigkeit der katholischen Kirche einmal mehr in Frage stellt. Da wird einer Bigotterie gehuldigt, der ich ohne weiteren Kommentar den Rücken kehren muß. Alles gut und schön, und jeder nach seinem Gutdünken, schließlich gibt es so viele Religionen wie gläubige Menschen, und jeder praktiziert seinen Glauben eben auf seine ganz individuelle Weise. Nur frage ich mich, ob dieser offensichtliche Götzenkult wirklich den Bestand des Weltkonzerns Kirche sichern soll! Aber wie man sieht, tut er das. - Auch die Muppetshow hat ihre Anhänger!
    Wie dem auch sei, auf jeden Fall verdanken wir der katholischen Kirche sowie allen anderen Weltreligionen ein unermeßliches kunstgeschichtliches Erbe, ohne das wir um millionenfache Kostbarkeiten ärmer wären.
    Wir vervollständigen unseren Rundgang um den irritierend großen Kathedralenkomplex und wandern nach Stippvisiten zum Hospital de los Reyes Católicos, heute staatlicher Parador, und zum Erzbischöflichen Palast, einem Bauwerk in einmaliger spanischer Romanik, in die belebten Seitengassen ab. Wolfgang fühlt sich von den herrschaftlich-klotzigen Stadthäusern aus dunklem Granit erdrückt. Auf seine Weise hat er natürlich recht, und trotzdem finde ich, paßt diese schwerblütige, barocke Innenstadt-Architektur wunderbar ins Umfeld der Kathedrale und bildet mit ihr eine geschlossene Einheit, worin ich mich wiederum eher beschützt als erdrückt fühle.
    Santiago wird jedem Besuchertyp gerecht und bietet wahrlich genügend Kurzweil. Wem nach der herben, nordspanischen Landschaft und dem Backofen der Stadt der Sinn nach erfrischender Meeresgischt steht, der kann an der nur 35 Kilometer entfernten Atlantikküste seine heißgelaufenen Füße im Meer kühlen. Außerdem bieten sich neben ungezählten Kirchen und Klöstern, ob nun zum Kulturstudium oder schlichten Zeitvertreib, eine ganze Reihe von Museen, Ausstellungen und Veranstaltungen verschiedenster Art an. In den Gassen läßt es sich prima lustwandeln, und in den unvermeidlichen Souvenirläden erhält man einen guten Überblick der heimischen Kitschproduktion, und man sollte nicht versäumen, in Körben mit Jakobsmuscheln und Kürbisflaschen zu wühlen. Unter Arkaden und auf Plätzen laden Cafés zum Verweilen und Plauschen ein und kleine »pastelerías« (Konditorei) verführen mit ihren süßen Auslagen zum Kauf von »Peregrino-Torten«, einer himmlischen Mandelkuchen-Köstlichkeit, mit der wir uns regelrecht mästen. Nach Tagen eintöniger Menüs eine recht rühmliche Neuerung auf unserem fantasielosen Speisezettel. Gemessen an der Unzahl gekaufter Konserven müssen Wolfgangs Gedärm inzwischen ganze Ölsardinenschwärme durchzogen haben, und eigentlich müßte ihm allein beim Gedanken an einen Fisch schon Speiübelkeit überkommen. Meinen Innereien ergeht es da nach einem Dauerbombardement mit Kohlsprossen und Spinat aus der Dose, vorzüglich mit Topfen oder Joghurt angereichert, nicht recht viel anders. Wolfgang und ich beherrschen das Fach der Urlaubsküche in einmaliger Unübertroffenheit, das heißt: Die Küche hat Urlaub und gegessen wird, was nicht gekocht, gebacken, gebraten, gegrillt, gewürzt oder sonst irgendwie zubereitet werden muß. Jede Expedition hätte an unseren genügsamen Ansprüchen die größte Freude. Da unsere knapp bemessene Urlaubskasse Restaurantbesuche scheut und wir Suchmärsche zwischen langen Regalreihen von Supermärkten hassen, kann es schon vorkommen, daß wir zwei oder drei Tage von Äpfeln, Keksen und Kaffee leben, trotzdem beginnt sich unsere Leibesmitte unangenehm zu runden, weil wir bei passender Gelegenheit jedes Kaloriendefizit mit Freßorgien doppelt und dreifach wieder wettmachen. Wie jedermann weiß und es auch meist praktiziert, lernt man ein fremdes Land auch in einem kulinarischen Gang durch seine Kochtöpfe kennen. Dieser Bekanntschaft bleiben wir mit unserer Auffassung von Gastronomie natürlich fern. Sicher entgehen uns damit genußreiche Gaumenfreuden, aber er ißt dann all die Ölsardinen und den vielen Dosenspinat?
    An einem der Tage in Santiago unternimmt Wolfgang, wie schon öfter zuvor, eine Reifenhändler-Tour, um vielleicht doch irgendwo fündig zu werden. Aber ohne Erfolg, und da eine Bestellung nirgends unter drei Wochen Lieferzeit dauern würde, verschieben wir eine endgültige Lösung des Problems einstweilen bis nach Portugal, wo wir nochmals unser Glück versuchen

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