Mit klick! zurück
Lage war ernst, aber nicht verzweifelt. Eines hatte Alex in den letzten Wochen gelernt: Es war sinnlos, sich aufzuregen. Wozu auch, wenn er doch einen Computer besaß, mit dem er die Zeit zurückdrehen und dafür sorgen konnte, dass nichts Schlimmes passierte? Solange Callum vor Mitternacht zurückkam, ließen sich alle Katastrophen, die an diesem Tag passiert waren, mit einem Tastendruck wieder ungeschehen machen.
Und selbst wenn nicht, hatte er einen Plan B.
Diesen Notfallplan hatte Alex von Anfang an im Hinterkopf gehabt. Wenn die Bannisters nicht rechtzeitig zurückkamen, würde er einfach in ihr Haus einbrechen und das Kabel selbst holen. Er hatte schon den ganzen Nachmittag mit diesem Gedanken gespielt, hielt es aber für besser, noch abzuwarten. Wenn er schon etwas Illegales tun musste, solange der Laptop außer Betrieb war, wollte er lieber warten, bis es dunkel wurde.
Um zehn Uhr abends stand Alex schließlich auf, schlich die Treppe hinunter, nahm eine Taschenlampe aus der Schublade, zog eine Jacke über seinen Schlafanzug und ging leise zur Hintertür hinaus.
Callums Haus lag im Dunkeln. Die Einfahrt war immer noch leer. Die Bannisters waren also noch im Krankenhaus. Leise schlich Alex ums Haus herum. Auf der Terrasse entdeckte er, dass es gar nicht nötig war, ein Fenster einzuschlagen. Die Bannisters hatten in der Eile die Tür angelehnt gelassen. Alex musste sie nur noch aufstoßen und hineingehen.
Im Licht der Taschenlampe schlich er die Treppe zu Callums Zimmer hinauf. Dort hatte er das Kabel in der Steckdose an der Wand stecken lassen, und wenn er Glück hatte, war es noch da.
Aber er hatte kein Glück.
Callum musste es herausgenommen haben. Alex blickte sich im Zimmer um. Er suchte zehn Minuten lang, bis die Taschenlampe den Geist aufgab. Schließlich zog er die Vorhänge zu und knipste die Deckenlampe an, in der Hoffnung, dass niemand draußen das Licht bemerkte.
In der nächsten halben Stunde stellte er Callums ganzes Zimmer auf den Kopf. Er suchte in jeder Schublade und jedem Schrankfach, schaute in und unter dem Bett nach, durchwühlte alle Kartons, die im Schrank gestapelt waren, und zog sogar das Bücherregal von der Wand weg, falls das Kabel versehentlich dahintergefallen war. Aber nichts. Kein Netzkabel weit und breit.
Allmählich wurde ihm richtig mulmig. Warum war er nicht früher hergekommen, auch wenn es noch so riskant war? Und warum hatte er Callum nicht im Krankenhaus angerufen? Oder seinen Vater überredet, dass er gleich nach dem Mittagessen mit ihm in die Stadt fuhr, um ein neues Kabel zu kaufen? Aber das Dümmste war, dass er gestern Abend den Laptop nicht ausgeschaltet hatte. Wie hatte er nur so viele Fehler auf einmal machen können?
In seiner Verzweiflung dehnte er die Suche auf das ganze Haus aus. Er ging die Treppe hinunter und schaute im Wohnzimmer und im Flur nach. Er drehte alle Lampen an, durchsuchte die Küche und das Esszimmer, dann fing er noch mal von vorne an und kämmte alle Räume ein zweites Mal durch. Er suchte und suchte, bis die Großvateruhr im Flur der Bannisters zwölfmal schlug.
Schnell schaltete er den Fernseher im Wohnzimmer ein, um die Zeit zu überprüfen. Tatsächlich: Mitternacht war vorbei. Was jetzt? Mit dem Laptop konnte er zwar die Zeit zurückdrehen, aber nicht das Datum verändern; das hatte er bereits am ersten Tag herausgefunden. Er konnte nur die Ereignisse rückgängig machen, die innerhalb ein- und desselben Tages eintraten.
Völlig erschöpft ließ er sich in einen Sessel fallen. Selbst wenn er das Kabel jetzt fand, wäre es zu spät.
Mr Kowalskis Verhaftung, Lillys verletztes Bein, seine Eltern, die nicht mehr miteinander redeten … Das alles war Wirklichkeit geworden und er konnte nichts dagegen tun.
Der Tag war vorbei und es gab kein Zurück mehr.
Zu Hause öffnete Alex leise die Hintertür, hängte seine Jacke auf und schlich auf Zehenspitzen durch den Flur. Plötzlich flog die Esszimmertür auf.
„Alex?“ Mr Howard stand im Morgenmantel in der Tür. Auf dem Sofa hinter ihm konnte Alex sein zerwühltes Bettzeug liegen sehen.
„Kannst wohl auch nicht schlafen, was?“, fragte sein Vater und legte Alex die Hand auf die Schulter. „Na komm, wir machen uns was Heißes zu trinken, das muntert uns ein bisschen auf.“
Niedergeschlagen saß Alex da, während sein Vater in der Küche hantierte, zwei Becher holte und Milch in der Mikrowelle erwärmte. So wie die Dinge standen, brauchte es mehr als einen Becher heiße
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