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Mit Konfuzius zur Weltmacht

Mit Konfuzius zur Weltmacht

Titel: Mit Konfuzius zur Weltmacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: S Aust
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beschließt. Dieses Organisationsprinzip zieht sich durch alle Ebenen der chinesischen Gesellschaft: Ob Gerichte oder Massenmedien – wer etwas werden will, muss der Partei beitreten und sich ihrer Disziplin unterwerfen. Die Parteiführung der jeweiligen Ebene beschließt – und folgt dabei den Vorgaben der nächsthöheren Führung. Hier treffen sich Lenins »demokratischer Zentralismus« und konfuzianische Hierarchie.
    Das gilt auch in der Wirtschaft: In Großbetrieben steht der Vorsitzende der Betriebsparteiorganisation über dem Generaldirektor. Deshalb versuchen besonders gewiefte Manager, beides in Personalunion zu sein. Die Allmacht über Politik und Business reicht der Partei nicht aus, sie will auch die Menschen erziehen, aus ihnen »zivilisierte Bürger« machen – wie einst Chinas größter Philosoph. In den Gesprächen sagt Konfuzius’ Schüler Zi-gong über ihn: »Hätte er einen Staat zu regieren bekommen, dann könnte man von ihm sagen: Was er anordnete, wurde getan; er wies den Weg, und die Menschen gingen ihn; er ließ sie zufrieden sein, und von überall kamen sie herbei; er setzte die Menschen in Bewegung, und sie handelten in Harmonie und Eintracht.«
    1981 ließ Deng Maos Ziehsohn Hua Guofeng absetzen und machte Hu Yaobang zum neuen Parteichef. Der wollte neben wirtschaftlichen auch politische Reformen. Er traf sich mit dem Bruder des Dalai Lama und schlug sogar vor, Chinesen sollten mit Messer und Gabel statt mit Stäbchen essen. Sein Erneuerungsstreben ging Deng allerdings zu weit, bis er ihn 1987 schließlich feuerte. Das wiederum machte Hu Yaobang zum Helden der Intellektuellen. Als er 1989 starb, versammelten sich Tausende auf dem Platz des Himmlischen Friedens (Tiananmen) und trauerten um ihn. Das spontane Beileid wandelte sich in Protest. Studenten schrieben in Wandzeitungen: »Der Falsche ist gestorben.« Sie warfen Deng Xiaoping vor, er reformiere nur die Wirtschaft, halte aber an der Diktatur der Partei fest – und an seiner eigenen. Die Rebellion weitete sich aus: Auch Arbeiter und Angestellte schlossen sich an. In mehr als 400 Städten demonstrierten Chinesen.
    Doch wahrscheinlich traf Deng Xiaoping am meisten, dass die Volksbewegung für Demokratie über Wochen den Platz des Himmlischen Friedens besetzt hielt, das Herz der Hauptstadt. Dort bauten einige sogar eine neun Meter hohe Nachbildung der amerikanischen Freiheitsstatue aus Gips und Styropor. Wieder setzte sich Deng über den Parteichef hinweg, der jetzt Zhao Ziyang hieß, und rief stattdessen greise Veteranen der Revolution zusammen. »Wir fürchten uns weder davor, Blut zu vergießen«, sagte er ihnen, »noch vor der internationalen Reaktion darauf.«
    Scheinbar widersinnig: Obwohl diese Urgesteine der Revolution Konfuzius ablehnten, vermissten sie bei diesen Studenten den Respekt vor den Alten. Den hatte Konfuzius gefordert, und er ist zur chinesischen Tradition geworden. Der verlangte Respekt und die geforderte Treue gehen sehr weit: »Der Präfekt von She unterhielt sich mit Konfuzius. Dabei sagte er: ›Hier sind die Menschen wahrhaft aufrichtig. Der eigene Sohn bringt es zur Anzeige, wenn sein Vater ein Schaf gestohlen hat.‹ Dazu bemerkte der Meister: ›Bei uns ist das anders. Bei uns deckt der Vater den Sohn, und der Sohn deckt den Vater. Darin liegt Aufrichtigkeit.‹ «
    Am frühen Morgen des 4. Juni 1989 rückten Panzer der 27. und der 38. Armee auf den Platz des Himmlischen Friedens vor. In den Nebenstraßen eröffneten sie das Feuer. Um die Welt ging das Bild eines Manns mit Plastiktüte in der Hand, der sich den Panzern in den Weg stellte. Verzweifelt rief er: »Warum seid ihr hier? Ihr habt nichts anderes getan, als Unglück über uns zu bringen. Wegen euch ist meine Stadt ins Chaos gestürzt.« Die Panzer fuhren um ihn herum.
    An anderen Orten Pekings dagegen schlug die Staatsmacht brutal zu. »Als die Panzer vorbei waren, da lagen nur Leichen, da blieben nur Tote zurück, und es kamen sofort Soldaten und Polizisten, die Benzin darauf gossen und die Leichen an Ort und Stelle verbrannten«, erzählte damals eine Pekinger Studentin, die dabei war. »So wollten sie die Spuren löschen, damit man nicht zählen und nicht wissen konnte, wie viele Menschen ermordet wurden. Und dann stand ein Krankenwagen da. Drinnen saßen viele verletzte Studenten. Die Fahrer waren alle aus Angst weggelaufen. Dann sagte ein Student: ›Ich kann fahren, ich fahre euch weg.‹ Er ist eingestiegen. Als er gerade anfahren wollte,

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