Mit Konfuzius zur Weltmacht
strengen Zeremoniell, das den Konfuzianismus in eine Reihe stellt mit Daoismus und Buddhismus.« Yu Dan kritisiert die Religionen nicht direkt. Aber in der positiven Beschreibung deutet sie an, warum der alte Konfuzius besser in die moderne Welt passt als der ein halbes Jahrtausend jüngere Jesus und der mehr als 1000 Jahre jüngere Mohammed: »Konfuzius ist von dieser Welt, denn er hat seine Lehre aus dem menschlichen Alltag heraus entwickelt. Wie wir lebte er eine irdische Existenz und ist nicht etwa vom Himmel herabgestiegen.«
Ausdrücklich wendet sich Yu Dan gegen das Eintrichtern des Konfuzianismus durch Drill: »Schon mein Vater hat mir die traditionelle chinesische Kultur beim Spiel nahegebracht, nicht durch formale Unterweisung.« Ebenso flexibel geht sie mit kritischen Fragen um, etwa zu der Position des Konfuzius, die Frau solle sich dem Mann unterordnen. »Natürlich bin ich dagegen. Solche Ansichten sind aus der damaligen Zeit heraus zu verstehen. Mehr als die Hälfte seiner Gedanken sind überholt.« Den Sprüchen des Weisen fügt Yu Dan ihre eigenen hinzu: »Ein guter Freund ist wie ein gutes Buch, durch ihn eröffnet sich uns eine ganz neue Welt.«
Strenge Konfuzianer werfen der Populärphilosophin vor, die Lehren zu bagatellisieren. Ihre Veröffentlichungen und Vorträge seien »Hühnersuppe für die Seele«. Regierungskritische Denker wiederum halten ihr Aussagen vor wie die, Konfuzius sei die »eigene Selbstvervollkommnung unendlich viel wichtiger, als Kritik an den Zuständen in der Gesellschaft oder dem Verhalten der Menschen zu üben«. Damit vergebe sie die Chance, Konfuzius etwa zum Kampf gegen die um sich greifende Korruption zu nutzen – was ihr auch zum eigenen Vorteil gereicht, denn für ihre Sendung im staatlichen Fernsehen ist sie auf das Wohlwollen der Funktionäre angewiesen.
Eine Kostprobe aus dem Programm, in dem Yu Dans Lektionen von Comicbildern begleitet sind, auf denen Konfuzius wie Asterix aussieht – auch die Chinesische Mauer und junge Büromitarbeiter von heute werden gezeigt: »Der ›Edle‹ ist Konfuzius’ Begriff für einen Menschen mit gutem, moralischem Charakter. In seinem Hauptwerk Gespräche taucht das Wort ›Edler‹ mehr als hundert Mal auf. Auch heute streben Menschen nach edlem Standard. Wie wird man ein Edler?« Oder: »Professorin Yu Dan sagt uns: Die Gespräche enthalten klare Statements, wie man Freunde findet. Es gibt drei Typen von guten Freunden und drei Typen von schlechten Freunden. Welches sind die Kriterien für gute Freunde? Wie können sie uns im Leben und bei der Karriere helfen? Welches sind die drei Kriterien für schlechte Freunde? Welchen Einfluss haben sie auf unser Leben? Wie können wir zwischen guten und schlechten Freunden unterscheiden?«
Der Sinologe Tilman Spengler meint zum Erfolg von Yu Dan: »Er spiegelt genau das wider, was man als Suche nach Licht in der Leere beschreiben kann. Obwohl ich ihr Buch gelesen habe, kann ich mich nicht an einen einzigen Satz erinnern, der darin gestanden hat. Aber vielleicht haben gerade ihre allgemeinen Aussagen es so populär gemacht. Der Erfolg ist ein Beweis für die Sehnsucht nach Lebensorientierung.«
Wie Yu Dan wird auch die Regisseurin Hu Mei offiziell unterstützt. Ihr Spielfilm Konfuzius , der 2010 in die Kinos kam, ist der erste seiner Art. Sie inszenierte Schlachten mit Heeren von Soldaten in Ritterrüstung, die Speere werfen und ihre Feinde mit Schwertern durchbohren, und so erscheint ihr Epos wie eine fernöstliche Variante des Spartacus . Sie spielt mit starken Farben, etwa blauen Roben vor blauem Hintergrund, ähnlich dem chinesischen Starregisseur Zhang Yimou in House of Flying Daggers und anderen Werken. Und wie in Hollywood beginnt Konfuzius als sympathischer Held. Er setzt sich für einen Sklavenjungen ein, der als »Grabbeigabe« mit seinem verstorbenen Herrn eingemauert werden soll. Als dessen General das grausame Vorhaben mit dem Hinweis verteidigt, es sei nun einmal Tradition, den Toten mit seinen Liebsten zu bestatten, schleudert ihm der Film-Konfuzius entgegen: »Er hat Sie doch auch geschätzt – wollen Sie ebenfalls mit ihm begraben werden?« Ganz nah an Konfuzius’ wirklichem Motto: »Was du selbst nicht wünschst, das tue auch anderen nicht an.« Action und Spannung etwa gibt es, als ein Schüler des Konfuzius unter Einsatz seines Lebens zu Rollen zusammengebundene Bambusstreifen mit weisen Sprüchen rettet, die im Eiswasser versinken; der Kinozuschauer leidet
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