Mit Konfuzius zur Weltmacht
mit, wenn Konfuzius und seine Jünger hungern.
Die Regisseurin stellt sich beim Gespräch mit einer Visitenkarte vor, auf der das rote Staatswappen mit fünf goldenen Sternen prangt. Es weist sie als Abgeordnete des Nationalen Volkskongresses aus, des chinesischen Scheinparlaments. »Unser Land kehrt zur alten Größe zurück, vorbei sind die Zeiten, in denen wir nicht einmal einen Nagel selbst herstellen konnten«, sagt sie. »Und vorbei sind auch die Zeiten des Klassenkampfes. Unsere Regierung folgt jetzt dem Konzept des Konfuzius von der Harmonie.«
In ihrer Mission gleicht die Regisseurin Hu Mei der Buchautorin und Fernsehfrau Yu Dan: Sie möchte mit ihrem Spielfilm die Distanz zum »Lehrer von zehntausend Generationen«, wie Konfuzius in China genannt wird, vermindern. »Er war ein einfacher Mann, der sich freute und trauerte, der sich um seine Familienangehörigen kümmerte und tiefe Gefühle für sie hatte.«
Und nicht nur für die. Weibliche Hauptperson des Blockbusters ist die Konkubine Nanzi, die kraft ihrer Reize und Raffinesse zur Königin aufgestiegen ist. Historische Darstellungen beschreiben sie als »schön und lüstern«. Gespielt wird sie von der chinesischen Schauspielerin und Sängerin Zhou Xun ( Balzac und die kleine chinesische Schneiderin ). Im Film nimmt sie Konfuzius mit auf ihr Zimmer, um mit ihm »Gedichte zu interpretieren«. Direkt fragt sie ihn: »Umfasst Ihre Liebe zu allen Menschen auch die Liebe zu einer Frau von zweifelhaftem Ruf?« Sie schaut ihm tief in die Augen und bezirzt ihn mit ihrer sexy Stimme. Kong Jian, ein Nachfahre des Konfuzius in der 75. Generation, wollte diese Szenen durch ein Gericht verbieten lassen: »Sie ruinieren das Image des Weisen.«
Die Rolle des Philosophen selbst besetzte die Regisseurin mit dem Hongkonger Superstar Chow Yun-Fat, der etwa als Hauptdarsteller in Ang Lees Kampfkunstdrama Tiger and Dragon bekannt wurde, das vier Oscars gewann. Er spielte in Fluch der Karibik mit, und die Los Angeles Times bezeichnete ihn als »coolsten Schauspieler der Welt«. Für Konfuzius war das eine Traumbesetzung, um ein Massenpublikum anzusprechen. Chow Yun-Fat gab sich bei der Vorstellung des Films konfuzianisch bescheiden: »Konfuzius verstehe ich nicht.«
»Der Konfuzius-Film war gedacht als eine großartige Hommage«, sagt Tilman Spengler. »Das ging schon damit los, dass die Besetzung mit Chow Yun-Fat so gigantisch war. Auf west-liche Verhältnisse übertragen ist das, als hätten John Wayne oder Henry Fonda, irgendeiner von diesen ganz Großen, Konfuzius gespielt. Das hat der ganzen Sache schon eine immense Statur gegeben für den Betrachter.« Der Spielfilm Konfuzius startete gleichzeitig in 2500 Kinos der Volksrepublik – ein Rekord. Die Regierung half noch etwas nach, indem sie den parallel laufenden Welterfolg Avatar eine Zeit lang auf 3D-Kinos beschränkte, um dem Philosophen gegenüber den Außerirdischen so einen Vorteil zu verschaffen.
Konfuzius auf allen Kanälen. Ein erstaunliches Comeback für einen, der längst abgeschrieben wurde – nicht erst von Mao. Der deutsche Soziologe Max Weber sah im Konfuzianismus die Ursache dafür, warum China vom protestantisch geprägten Westen überholt wurde. In China selbst forderte die demokratische Bewegung des 4. Mai 1919: »Zerschlagt Konfuzius’ alten Kuriositätenladen!« Sie machte den Philosophen für die Rückständigkeit des Landes verantwortlich, weil er Hierarchie und Stabilität beschworen hatte mit Sprüchen wie: »Der Herrscher muss Herrscher sein, der Untertan muss Untertan bleiben.« Konfuzius-Verkünderin Yu Dan erklärt dieses schlechte Image so: »Der brutale Kaiser Han Wudi (156 – 87 v. Chr.) hat etwas sehr Schädliches getan, nämlich den Konfuzianismus zur einzig wahren Lehre erklärt und alle anderen Denkschulen verboten. So hatten wir ein Monopol des Konfuzianismus, was ungesund war für unsere Entwicklung und später das Fortschreiten unserer Gesellschaft hemmte. Hätte Konfuzius damals noch gelebt, dann hätte er bestimmt nicht gemocht, was aus ihm gemacht wurde. Doch er trägt nicht die Verantwortung dafür, dass seine Ideen später von Herrschern missbraucht wurden. So verlangte er Selbstbeschränkung, aber nicht nur von den Untertanen, sondern vor allem auch von den Herrschern selbst. Das wurde später oft weggelassen. Ich möchte seine ursprünglichen Ideen vermitteln.«
Kritik an Konfuzius gab es also auch schon vorher, aber eine regelrechte Verfolgung setzte erst unter Mao
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