Mit Konfuzius zur Weltmacht
nahmen sie den damals 18-Jährigen unter Vertrag. 2003 wechselte er von Nike zu Reebok. »Heute bin ich der bekannteste Kapitalist in China«, sagte Yao Ming. »Und ich habe kein Problem damit. Meine Eltern spielten Basketball nur für den Ruhm der Nation. Wir denken auch an unsere Altersversorgung.«
Ein Understatement des Multimillionärs. Als wir ihn nach seiner ungewöhnlichen Lebensgeschichte fragten, wählte er seine Worte vorsichtig. Er wollte es sich weder mit seiner Regierung noch mit seinen Sponsoren verderben – und in einer von Konfuzius geprägten Kultur schon gar nicht mit seinen Eltern. »Mein Traum ist, dass China einen neuen Weg findet, Nachwuchssportler auszuwählen«, antwortete er und begründete dies sportlich: »Jetzt messen wir Kindern die Knochen, nehmen nur die Großen, viele bekommen keine Chance. Darum haben wir gute Spieler im Angriff und in der Mitte, aber keine guten Verteidiger.« Yao Ming ärgert sich immer wieder öffentlich über Schwächen des chinesischen Basketballteams.
Fünf Sicherheitsmänner in dunklen Anzügen führten Yao Ming durch eine Hintertür ins Pekinger Grand Hyatt Hotel . Im großen Ballsaal war er zunächst nur auf einer Kinoleinwand zu sehen, ein Jäger schoss auf einen Elefanten, der Basketballer startete durch und stoppte die Kugel mit der Hand. Eine Veranstaltung von WildAid zum Schutz bedrohter Tiere. Dann betrat Yao Ming persönlich den Saal und erklärte: »Ich gelobe, vom heutigen Tag an keine Haifischflossensuppe mehr zu essen.« Was woanders nichts Besonderes wäre, ist in China eine mutige Aktion. Fast jeder dort, der es sich leisten kann, würde diese teure Delikatesse gern löffeln, die bis zu – umgerechnet − 80 Euro pro Teller kosten kann. Tierschutz hat keine Tradition im Reich der Mitte, auch Konfuzius hat nichts getan, um das zu ändern, im Gegenteil. In den Gesprächen heißt es: »Als Konfuzius einmal bei Hofe war, brannte sein Pferdestall ab. Nach seiner Rückkehr fragte er: ›Sind Menschen zu Schaden gekommen?‹ Nach den Pferden erkundigte er sich nicht.« Riskanter für Yao Ming als das Unverständnis in der breiten Bevölkerung: Staats- und Parteifunktionäre glauben, sie würden einem Gast keine Ehre erweisen, wenn sie die Haifischflossensuppe nicht bestellen. Sie bestraften Yao Ming, indem sie die Medien so gut wie nicht über die Veranstaltung berichten ließen.
Yao Ming lebte und lebt zwischen Ost und West. In seinen persönlichen Gewohnheiten unterschied er sich stark von den amerikanischen Spielern in der National Basketball Association (NBA), auf die in jeder Stadt Groupies warten. »Es gibt ein anderes Verständnis von Ehre und Scham, ich akzeptiere das ihre, behalte aber meines«, sagte Yao Ming, wie immer diplomatisch. Als eine chinesische Zeitung ihn und den amerikanischen Spieler Moochie Norris gemeinsam interviewte und den Amerikaner fragte, ob er Kinder habe, antwortete Yao Ming für ihn: »Er ist nicht verheiratet.« Norris warf lächelnd ein: »Das stimmt, aber ich habe zwei Kinder.«
Am linken Handgelenk trug Yao Ming ein rotes Armband, das ihm seine Freundin geschenkt hatte, die 1,90 Meter große chinesische Basketballspielerin Ye Li. Selbst für chinesische Verhältnisse hatte er sie auf recht traditionelle Weise erobert: »Über ein Jahr lang fragte ich sie, ob sie mit mir gehen will. Sie sagte Nein. Aber nach einem Jahr merkte ich eine Veränderung: Sie sagte weiterhin Nein, aber schon etwas zögerlich. Da merkte ich, ich habe eine Chance.« Mittlerweile haben die beiden geheiratet. Ihre Tochter wurde in Houston in den USA geboren.
Damals sprach Yao Ming wenig über seine Freundin, und aus Angst vor dem Rummel führten sie ein zurückgezogenes Leben, fernab von dem, was in China sonst passierte. Für seinen Sponsor McDonald’s chattete Yao Ming online mit Fans. »Was für ein Tag war gestern?«, fragte ihn die Weltklasseturnerin Sang Lan, welche die Diskussion moderierte. Sie war 1998 bei einem missglückten Salto verunglückt und sitzt seither im Rollstuhl. Der Vortag war das chinesische Pendant zum Valentinstag gewesen, doch Yao Ming hatte nichts davon gehört. »Hat dir jemand Grüße per SMS geschickt?«, bohrte Sang Lan weiter. »Nein«, antwortete er. Da entgegnete die behinderte Sportlerin nur noch: »Erbarmungswürdiger Yao.«
Yao Ming redete in dem Chat derweil über einen anderen Traum: bei der Eröffnung der Olympischen Spiele in Peking 2008 als Fahnenträger die chinesischen Sportler ins Stadion
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