Mit Konfuzius zur Weltmacht
Sportwissenschaftler und damals Vizepräsident des Deutschen Leichtathletikverbands. Inwieweit Doping im Spiel ist, sei schwer zu überprüfen, den Hauptfaktor sehe er aber in etwas anderem: »In einem Land mit 1,3 Milliarden Einwohnern ist es leichter, Talente zu entdecken und zu fördern.«
Schon lange vor Olympia 2008 wurde dabei nichts dem Zufall überlassen: Da Fang, Kapitänin der chinesischen Damen-Basketballmannschaft, war mit 1,88 Metern für chinesische Verhältnisse eine Riesin. Als sie ihre aktive Zeit beendete, schlugen Sportfunktionäre ihr vor, einen Basketballstar zu gebären. Sie hatte weder einen Freund noch einen Mann. Und das war auch gut so. Denn die Partei hatte bereits einen für sie ausgesucht, den 2,08 Meter großen Basketballspieler Yao Zhiyuan. Yao Mings Biograf Brook Larmer bezeichnet diese Gespräche als Beginn der Operation Yao Ming , so der Titel seines Buchs darüber.
Nervös warteten Chinas Sportfunktionäre 1980 auf Nachrichten aus dem Krankenhaus Nummer 6 in Shanghai. Am 12. September kurz nach 19 Uhr meldeten die Ärzte dort Vollzug: Das lange erwartete Baby war geboren. Der kleine Yao Ming wog mehr als fünf Kilogramm, doppelt so viel wie ein durchschnittliches chinesisches Neugeborenes. Nach dieser erfolgreichen Aktion sollte die Ein-Kind-Politik für die Auftragseltern ausgesetzt werden: Sie sollten eine ganze Basketballmannschaft züchten. Dass es nicht dazu kam und Yao Ming einmalig blieb, hing ebenfalls mit großer, noch länger vergangener Politik zusammen.
1967, während Maos Kulturrevolution, im Basketball-Trainingszentrum Nanjing-Straße Nummer 651 in Shanghai: Auch die Sportschüler hatten sich, von Mao aufgehetzt, in Rote Garden verwandelt. Sie fesselten Zhu Yong, einen der führenden Sportfunktionäre der Stadt, und beschuldigten ihn des »Trophäismus«. Sie schlugen ihn mit ihren Fäusten und mit Knüppeln. »Spion! Verräter! Konterrevolutionär!«, schrie ihn eine 17-jährige Nachwuchssportlerin an. »Feind des Volkes, gestehe deine Verbrechen!« Es war die Stimme von Da Fang, der späteren Mutter von Yao Ming und Gebärerin einer ganzen Basketballmannschaft in spe.
Anfang der 80er-Jahre war Zhu Yong rehabilitiert, wieder in Amt und Würden und einer der Offiziellen, der über die Sondergenehmigung zu entscheiden hatte. Natürlich sagte er Nein. Mit der Geburt von Yao Ming hatten seine Eltern ihre »Pflicht gegenüber dem Vaterland« erfüllt. Plötzlich wurde Da Fang geächtet. Die frühere Nationalheldin musste nun in einem Heim für pensionierte Athleten Seife verteilen, während ihr Mann im Shanghaier Hafen schuftete. Zusammen verdienten sie kaum mehr als die Hälfte eines durchschnittlichen städtischen Haushaltseinkommens in China, das damals sehr niedrig lag. Und damit mussten sie ein Riesenbaby versorgen. Die Marktfrauen in Shanghais Wukang-Straße erinnern sich an seine Mutter: Jeden Abend kam sie nach Einbruch der Dämmerung in abgetragenen Kleidern und feilschte um günstige Preise für ein Stück altes Schweinefleisch oder eine Portion Reis.
Nach diesen Erfahrungen wollten seine Eltern für ihren Sohn alles, nur nicht, dass er Basketballspieler wird. »Wenn Athleten in China aufhörten zu spielen, dann hatten sie gewöhnlich keinen Beruf gelernt«, erzählte Vater Yao Zhiyuan, selbst neun Jahre lang Profisportler, von seinen eigenen Erlebnissen. »Und genug Geld, um etwas anzusparen, verdiente man damals als Sportler auch nicht.« Doch wieder wurden die Eltern nicht gefragt. Mit 13 war Yao Ming bereits zwei Meter groß. Keine Frage für die Offiziellen: Er musste zu Hause ausziehen und am Shanghaier Sporttechnologie-Institut Basketball trainieren. Mit Sportschuhen in passender Größe konnte ihn der Staat aber nicht ausstatten. Verzweifelt wandte sich seine Mutter an Bekannte in den USA. Der Wirtschaftsstudent , dessen Eltern von Shanghai nach Wisconsin ausgewandert waren, brachte Yao Ming Nike-Schuhe. Diese Gefälligkeit hat sich für ihn ausgezahlt – er wurde Yaos Freund und über viele Jahre sein Manager.
Das Geschenk war Yao Mings erste kurze Begegnung mit dem amerikanischen Sportartikelhersteller Nike. Intensivere sollten folgen. China öffnete sich wirtschaftlich weiter, und internationale Konzerne wie Nike gierten nach dem gewaltigen Markt. Sie suchten einen Sympathieträger, mit dem sie in China für ihre Schuhe, Turnhosen und T-Shirts werben konnten – und fanden ihn in Yao Ming, mittlerweile erfolgreicher Basketballspieler. 1999
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