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Mit Konfuzius zur Weltmacht

Mit Konfuzius zur Weltmacht

Titel: Mit Konfuzius zur Weltmacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: S Aust
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Berlin am Ende des Zweiten Weltkriegs. Daneben schnellen weiß und rot glänzende Hochhäuser aus dem Boden.
    Weil die neuen Apartments aber teurer sind als die alten, verläuft die Abstimmung mit den bisherigen Bewohnern oft nicht so konfuzianisch-harmonisch, wie vom Architekturprofessor – und auch von der Regierung – gewünscht. Auch dies ist ein Grund, warum Chinas Führung die neuen Konflikte mit der alten Philosophie der Ordnung lösen will: Es verflüchtigt sich die Angst vor der Gewalt des Staats, welche die Chinesen unter Mao disziplinierte. Auch der in totalitären Zeiten anerzogene Reflex, Fremden nichts Schlechtes über das eigene Land zu erzählen, funktioniert längst nicht mehr überall. Im Gegenteil: Im Abrissviertel führt die Anwesenheit von ausländischen Reportern zu einem Menschenauflauf. Die Anwohner wollen ihrer Wut Luft machen und hoffen, kritische Berichte könnten ihre Lage verbessern. »Von wegen Entschädigung und neue Wohnung, nichts haben die uns gegeben!«, ruft eine Frau mittleren Alters, deren Bluse mit traditionellen chinesischen Drachenmustern bestickt ist. Ein Mann gestikuliert wild, er schreit: »Die haben unser Haus abgerissen, aber uns nicht entschädigt.« Die Frau schimpft weiter: »Die haben versprochen, uns 300 Yuan für den Quadratmeter zu geben, lächerlich wenig. Und das haben sie noch nicht einmal bezahlt. Auch unser Ackerland dort drüben haben sie uns weggenommen.« Auch hier stecken sich korrupte Funktionäre Entschädigungen in die eigene Tasche, die eigentlich den Hausbesitzern zustehen. Während immer mehr Anwohner zusammenströmen, ziehen Abrissarbeiter mit Schaufeln in der Hand vorbei.
    Bei manchem freut man sich, wenn es abgerissen wird. An -einer Eisenbahnbrücke über den Jialing ist ein ganzes Gebiet mit Gesteinsbrocken bedeckt, man fühlt sich an Bilder vom Mars erinnert. Nur ein gelber Sack mit der Aufschrift »Chongqing Fabrik für Chemie und Pestizide« deutet darauf hin, dass hier hochgiftige Stoffe produziert wurden.
    Hier hat sich Professor Wu Dengming von der Grünen Freiwilligen Liga engagiert, der Kritiker des Dreischluchtendamms. Er zeigt auf den Fluss: »Das kontaminierte Wasser wurde ungeklärt in den Jialing geleitet. Hier starben alle Fische.«
    Chongqing gehörte bisher zu den zehn am meisten verschmutzten Städten der Erde. Doch auch in China wächst heute der Protest gegen die Zerstörung der Natur. Der Professor sammelte Anhänger, sprach mit Politikern. Anders als westliche Bürgerinitiativen suchte er dabei nicht die Konfrontation, sondern das vertrauensvolle und harmonische Gespräch mit den Machthabern, abermals im Einklang mit Konfuzius: »Wenn Konfuzius bei Audienzen am Hofe mit zweitrangigen Amtsträgern sprach, hatte er einen ungezwungenen Ton. Im Gespräch mit hohen Amtsträgern verhielt er sich besonders höflich. In Anwesenheit des Herrschers war er voll Ehrfurcht und angemessener Würde.«
    Nach langem Bemühen erzielte Umweltschützer Wu einen Erfolg: »Was Sie hier sehen, sind die Überreste der Chemie-fabrik. Durch die gemeinsamen Anstrengungen unserer Grünen Freiwilligen Liga mit der Regierung erreichten wir ihren Abriss. Sie wurde 300 Kilometer von Chongqing entfernt wieder aufgebaut, aber mit den modernsten Kläranlagen.« Eine Kläranlage steht jetzt auch hier – um das Gift im Grundwasser zu reinigen, das jeder Regen hochspült.
    Als Symbol für das neue Chongqing, das angestrebt wird, leuchtet Hongyadong, der längliche Mega-Kasten in der Mega-Metropole. Hier soll die neue Zivilisation gedeihen, wie Konfuzius sie einst im Staate Lu einführte. Über elf Stockwerke, durch Res-taurants und Einkaufsgassen, schieben sich an manchen Tagen 80 000 Besucher. Holzpfeiler und -dächer oder auch die roten Lampions geben einem das Gefühl, im China von vor ein paar Jahrhunderten zu flanieren. Ein künstlicher Wasserfall erinnert jedoch daran, dass man sich im China von heute befindet. Man muss kein Feng-Shui-Experte sein, um zu erkennen, wie großartig der Prachtbau liegt: Er schmiegt sich an einen Berghang und blickt aufs Wasser, und zwar ganz nahe der Stelle, an der die Flüsse Jangtse und Jialing zusammenfließen.
    In den Restaurants hier ist der Kunde nicht König, sondern Kaiser. Er wird umschmeichelt und zum Platz geführt von Managerinnen in schwarzem Anzug oder von Empfangsdamen, gekleidet im traditionellen, an der Seite geschlitzten Qipao (Cheongsam) aus feiner Seide. Alle Mitarbeiterinnen tragen einen Knopf im Ohr

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